Handelsblatt bedrängt Versicherer. Oder: Eine Exklusiv-Kampagne ohne neue Fakten

Frisch gebloggt von Markus Rieksmeier

+++ Exklusiv (04. September 2012): Sehr, sehr großer Sack Reis in China umgefallen  – Milliardenschäden nicht bezahlt +++ Äääxxkusiv (21. Juni 2013): Der Sack liegt immer noch am Boden! +++ 

… und warum das Tagesbriefing die folgende Meldung nicht brachte – und nicht verlinkt:

Am vergangenen Freitag – wir beim Tagesbriefing waren geistig schon im verdienten Wochenende – ploppte  eine „Exklusivmeldung“ auf. Das Handelsblatt meldete „Unfallopfer bedrängen Versicherer“. Hier können Sie sich jetzt wund klicken, wir verlinken den Beitrag nicht! Denn das Tagesbriefing bringt nur echte News.

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„Unfallopfer bedrängen Versicherer“ war nach einem kurzen Blick keine echte News, sondern ziemlich kalter Kaffee.

In der Sache wussten wir: Ja, der NDR hat mit seinem Beitrag „Die Neinsager“ zum Regulierungs-Gebaren der Versicherer einen Stein ins Rollen gebracht. Das war am 4. September 2012. Richtig.

Wir wussten auch, dass das Bundesjustizministerium aufgrund der NDR-Berichterstattung eine sachlich völlig berechtigte breite Befragung aller Fachleute gestartet hat – von Verbraucherschützern bis Juristen. Das war etwa im April des Jahres.

Sogar Tobias wer? Weissflog, umstrittener und fachfremder Chef des Bundes der Versicherten (BdV) auf dem „Schleudersitz“ (Procontra), äußerte sich am 5. April via Medieninformation. Erstens, dass der BdV „kompetenter Ansprechpartner für Bundesministerien“ sei und zweitens, dass er sich äußern werde: „Die Stellungnahme zu diesem Thema kann ab dem 30. Juni hier [bitte erst am 1. Juli klicken, die Red.] eingesehen werden“. Das sehen wir ein. Am 1 Juli.

Und die Gegenseite, der GDV? Der hätte es nach der Meldung des Handelsblatt schwer, seinen inzwischen wohl eingeführten Faktencheck gegen die Berichterstattung des Handelblatts zu setzen. Denn es gab nichts zu checken – in der Meldung waren keine neuen Fakten drin.

Und dann die Wortwahl der Handelsblatt-Autoren: „Der Druck auf säumige Versicherer steigt“. Sogar scheinbar eindeutige Neonazi-Verbrecher werden in der gesamten Berichterstattung der Medien bis zur Rechtskraft eines Strafurteils als „mutmaßlich“ bezeichnet. Versicherer sind aber säumig, automatisch? Ist verbale Sippenhaft erlaubt? Scheinbar ja.

Von vollstreckbaren Titeln gegen die Versicherer wegen (massenweise) säumiger Entschädigungs-Zahlungen ist nichts bekannt. Von vollstreckbaren Titeln des Handelsblatts ebenfalls nicht.

Kurzum: Es gab aus meiner Sicht am vergangenen Freitag keinen anderen Grund für das Handelsblatt zur Penetration des Themas „Neinsager“ als das Handelsblatt selbst. Denn es gab weder zum Regulierungs-Verhalten der Versicherer, noch zum, nennen wir es Prüfverfahren durch das Ministerium, irgendwelche Neuigkeiten.

Keine Neuigkeit, keine (neue) Wichtigkeit = kein Nachrichtenwert.

L-exklusiv „Unfallopfer bedrängen Versicherer“ = Kampagne! L-exklusiv

Warten wir als Presse doch einfach ab, was geschieht. Und melden, wenn etwas geschieht: Was die Fachleute dem Justizministerium berichten, was die Ministerin vorschlägt und welche Gesetze möglicherweise daraus gegossen werden.

Aber es gibt Hoffnung: Ausgerechnet die Debeka Lebensversicherung hat nun neuen Nachrichtenwert geschaffen, und die Beiträge für ihre Lebensverischerungen „erhöht“ beziehungsweise die Sofortverrechnung von Kapitalerträgen gestrichen. Wir sind gespannt auf die kommende Berichterstattung, (nicht nur des) Handelsblatts.

Eines soll hier betont werden: Das Thema Schadenregulierung ist materiell und menschlich äußerst wichtig! Das Tagesbriefing wird dieses Thema weiter begleiten. Aber neutral, als Beobachter. Und als ehrlicher Chronist.

Kampagnen überlassen wir gerne anderen. Zum Beispiel dem Handelsblatt…

In Kooperation mit der <br>INTER Versicherungsgruppe