Sprechstunde beim @AssekuranzDoc: Der englische Weg für Kunden und Berater

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Keine Provisionen. Weniger Makler. Die englische Beraterpraxis macht vielen Versicherungen und Vermittlern in Deutschland Angst. Ein Blick „in die Tiefe“ zeigt, dass aber alle davon profitieren können.

Anzahl unabhängiger Vermittler verdoppelte sich

Vor einem reichlichen Jahr trat in Großbritannien die „Retail Distribution Review“ (RDR) in Kraft. Hauptbestandteil der neuen Finanzmarktrichtlinie war das Verbot von Provisionszahlungen der Produktanbieter an Makler und Finanzdienstleister. Das war dann gewissermaßen der Schlusspunkt einer fast zwanzigjährigen Regulierung des britischen Finanzvermittlermarktes durch die britische Finanzaufsicht FSA. In diesen 20 Jahren ging die Anzahl der abhängigen Vermittler von rund 180.000 auf 15.000 zurück. Dafür verdoppelte sich zwischenzeitlich die Zahl der unabhängigen Vermittler auf 40.000. Doch auch hier ist der Trend rückläufig. Aktuell geht man von ca. 37.000 Vermittlern aus.

Gerade der Rückgang der abhängigen Vermittler dürfte so manchem Versicherer, dessen „Hausmacht“ die Ausschließlichkeitsvertreter sind, Kopfzerbrechen bereiten. Dementsprechend versucht man, seine Interessen zu bewahren und unterstützt vielfach die Bemühungen nach Standards für eine unabhängige Beratung nur zögerlich. Bessere Produkte der Mitbewerber bietet man über die eigene Ausschließlichkeit allenfalls als „Ventil-lösung“ an. Doch der Lernprozess, den einige Banken schon hinter sich haben, wird sich beschleunigen.

Bedenken deutscher Makler

Für traditionelle Makler, die sich dem Thema Honoraberatung noch nicht oder sehr zögerlich zugewendet haben, ist es vor allem die Veränderung der Beratungsphilosophie und natürlich der Vergütungsgrundlagen, die mit Vorsicht betrachtet wird. Veränderungen a la Britannia fördern Ängste. Das ist besonders verwunderlich bei den Maklern, die das „Kundeninteresse“ persönlich eigentlich ganz groß schreiben.

Der Weg von der reinen Vergütung für vermittelte Versicherungen hin zur teilweisen oder vollständigen Honoraberatung bringt aber nüchtern betrachtet mehr Vorteile für die Kunden, Vermittler und sogar für Versicherer mit sich, als landläufig diskutiert. Denn die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden rücken in den Vordergrund, die Produkte in den Hintergrund. Ganz ehrlich hinterfragt: Warum krankt denn der wichtigste Aspekt der Vorsorge, die Altervorsorge, in Deutschland seit Jahren? Den Kunden werden noch zu häufig Produkte „eingeredet“, die diese nicht brauchen oder die diese nicht verstehen.

Ein weiteres „Produktproblem“ haben wir Deutschen. Uns sind als Gesamtheit die Versicherungen von Sachen wichtig. Sehr wichtig. Das führt dazu, dass wir alle zu viele Sachversicherungen haben. Versicherungen für Brillen, Reisegepäck, Skiausrüstungen und Handys sollten eher zu den „Streichposten“ im Versicherungsordner gehören. Die „Zeit“ analysierte das so: „Die Bundesrepublik ist europaweit …der größte Markt für Policen, die nicht zur Altersvorsorge gedacht sind, sondern stattdessen das Reihenendhaus, das Mercedes-Cabrio oder die digitale Fotoausrüstung absichern. Insgesamt geben die Deutschen über 200 Milliarden Euro im Jahr für solche Policen aus.“

Die Briten tun mehr für das Alter

Natürlich ist es mir bewusst, dass die Sozialsysteme in Großbritannien und Deutschland unterschiedliche Historien und Strukturen haben. Dementsprechend müssen die Risikoabsicherungen auch anders sein. Dennoch ist es schon interessant, dass der Durchschnittsbrite jährlich 3.527 EUR für die Altersversorgung, bei insgesamt 4.578 EUR Versicherungsaufwendungen, ausgibt. In Deutschland gehen nur rund 50 Prozent der Versicherungs-ausgaben in die Altersversorgung. Pro Kopf sieht das so aus: 1.359 EUR für die private Altersversorgung von 2.878 EUR Versicherungsbeiträgen pro Jahr.

Der GDV beklagt schon lange die niedrigen Sparquoten der Deutschen für das Alter. „In vielen Ländern sind die Pro-Kopf-Beiträge für Lebensversicherungen teilweise mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland, etwa in der Schweiz, Großbritannien, Frankreich und Schweden“, beklagte Ulrike Pott vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. „Innerhalb der 16 alten EU-Mitgliedsstaaten liegen nur noch Spanien und Österreich hinter Deutschland.“ Und das mit über 250.000 Versicherungsvermittlern in Deutschland.

Weniger Vermittler, weniger Absicherung?

Wenn man über die Finanz- und Versicherungsberatung in Großbritannien mit Maklern in Deutschland diskutiert, kommt fast immer das Argument „Wer soll denn die Kunden beraten, wenn es die Vermittlerdichte nicht mehr gibt?“

Zweifellos ist das befürchtete „Beratungsloch“ ein Thema. Aber auch dafür können die Entwicklungen auf der Insel Antworten geben. Die „Welt“ zitierte vor einigen Tagen den Vermögensverwalter Stuart MacDonald. „90 Prozent der Kunden brauchen keinen teuren Berater, der von Angesicht zu Angesicht mit ihnen spricht.“ Vielen sei mit einem Call-Center geholfen, dessen Mitarbeiter über Telefon gängige Produktlösungen anbieten. Er geht zudem davon aus, dass auf Dauer sehr viel einfachere Finanzprodukte auf den britischen Markt kommen, die kaum noch einer Erklärung bedürfen.

Diesen Weg versucht die deutsche Assekuranz hier und da auch schon zu gehen. Bei Personenversicherungen und Langzeitplanungen gibt es solche „vereinfachten“ Angebote noch eher selten. Aber Kompaktpakete mit Nettotarifen für das Eigenheim, Haus und Hof oder für bestimmte Berufe zeigten schon einen Trend, der für Kunden und Vermittler einen Schritt auf dem „englischen Weg“ bedeuten kann.

Wie sehen Sie den britischen Weg? Ist es eine Vision für Ihre Beraterzukunft oder eher die „englische Krankheit“?


Dr. Peter Schmidt

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Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als „assekuranzdoc“. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.

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