Keine Frage, wir haben aufregende Zeiten. Die einen beklagen die Niederlage ihres Fußballclubs. Die anderen regen sich die dreitägige „Geiselhaft“ für zehntausenden Fluggäste auf. Und Ihr „Tagesbriefing“ – Kolumnist regt über ein Stück Papier auf.
Doch der Reihe nach.
Vor wenigen Tagen überraschte die deutsche Aufsicht für Banken, Versicherungen und Finanzanlagen mit einem Artikel zum „Grauen Kapitalmarkt“. Genauer – es geht um sieben Seiten im neuen BaFin-Journal unter dem Titel „Grauer Kapitalmarkt. Rendite und Risiko: Marktabgrenzung, Regulierung und Verantwortung des Anlegers“.
Durchaus begrüßenswert ist das Ansinnen der Autoren, die Mechanismen von Regulierung und freiem Kapitalverkehr zu erläutern. So heißt es eingangs des Artikels: „Der Graue Kapitalmarkt … ist die Summe der Marktteilnehmer und Angebote, die keine Erlaubnis der BaFin benötigen und daher auch nicht ihrer Aufsicht unterliegen.“
Wer nun aber erwartet, dass die betrügerischen Anlagekonzepte von inzwischen insolventen Finanzdienstleistern der letzten Monate und Jahre kritisch bewertet werden, wird enttäuscht. Die Überschrift lässt die Tendenz des Rechtfertigungsversuchs der Aufsichtsbehörde ahnen. Es soll um die Verantwortung des Anlegers und nicht um die der Betrügerfirmen gehen. Und die Rolle des Kontrollorgans? Es wird laviert: „Der Graue Kapitalmarkt wird in der Öffentlichkeit oft als unreguliertes Marktsegment dargestellt. Tatsächlich nimmt die BaFin aber auch hier vielfältige Aufgaben wahr.“
Grauer Kapitalmarkt – (k)ein regulatorischer Missstand
Es überrascht, wenn das BaFin Kontrollpflichten von sich schiebt und den „grauen Kapitalmarkt“ als das Normale anpreist. Wenn wie im Fall von Prokon mit Prospekten tausende Kunden in ein Investment gelockt werden welches sie nicht bewerten können, dann ist dies nach meiner Meinung durchaus ein regulatorischer Missstand.
Jedes Bankinstitut muss heuzutage den anlagewilligen Kunden nach Anlagehorizont, Erfahrungen in der Kapitalanlage oder dessen gewünschtem Risikoprofil fragen. Nach so einer Beratung ist es auch kein Problem, wenn der Kunde im Bewusstsein aller Konsequenzen risikobereiter ist und auch das höhere Risiko (bis zum Totalverlusst) trägt.
Aber bitte doch nicht der Freibrief für dubiose Geschäftemacher ohne jegliche Regeln der Kundenberatung und dann noch mit dem Seegen der BaFin.
Zehntausenden um ihr Vermögen gebrachten Kunden von Prokon & Co. gibt es keinen Trost, wenn die als „vielfältigen Aufgaben“ bezeichneten Kontrollpflichten der BaFin auf das formale Prüfen von Prospekten
und Zulassungen reduziert werden.
Noch schlimmer: Wenn bereits mehr als deutlich wird, dass wie bei S&K den betrügerischen Aktivitäten sogar freier Lauf gelassen wird und Banken und Versicherer in die „Kapitalvernichtung“ einbezogen werden? Wird denn bei der Kontrollinstanz niemand stutzig, wenn wie im Fall der Gothaer Lebensversicherung Millionen an Beiträgen zwischen Infinus und dem Versicherer hin und her geschoben werden?
Macht Umsatz nur noch blind?
Die Kunden sind eigentlich selber schuld
„Wer sich entschließt, sein Geld dem Grauen Kapitalmarkt zur Verfügung zur stellen, profitiert von den Bemühungen der BaFin, im Interesse des kollektiven Verbraucherschutzes die Voraussetzungen für eine informierte und risikobewusste Investitionsentscheidung zu schaffen.“ Damit sind wohl die Karten verteilt.
Die Anleger sind selbst schuld. Kein Wort davon, dass beispielsweise die INFINUS AG Finanzdienstleistungsinstitut, Dresden, eine BaFin-Erlaubnis zum „Erbringen von Anlageberatung, Anlagevermittlung…“ hatte. Aber genau mit dieser BaFin- Erlaubnis wurde doch durch die Betreiber des Finanzunternehmens gegenüber den Kunden eine gewisse Seriösität vorgegaukelt.
Die Kunden fühlten sich bei einem Finanzdienstleister mit BaFin-Zulassung sicher. Wo blieb dann aber deren Kontrolle bei mutmaßlichen Bilanzverschönerungen? Wo blieb die Kontrolle beim marktbekannten aber ausdrücklich nicht zugelassenen „Privatisieren“ von „Eigentum oder Besitz an Kundengeldern oder Wertpapieren“? Dafür war wohl der Kontrollblick von Berlin nach Dresden zu sehr beschränkt.
„Je stärker… (der Graue Kapitalmarkt) reguliert ist, desto häufiger weichen Anbieter auf Anlageangebote aus, die ihrer Ansicht nach nicht erlaubnispflichtig sind“, wird von der BaFin im genannten Artikel argumentiert. Keine Frage, ja das stimmt sicher. Aber warum wurde dann nach Bekanntwerden der Missstände so spät und auch nicht gegenüber den Anlegern reagiert?
Das Handelsblatt kritisierte wohl mit Recht: „Dreieinhalb Jahre nachdem die Bafin auf das Geschäft mit gebrauchten Lebenpolicen aufmerksam wurde, knapp zwei Jahre nachdem die Staatsanwälte der Aufsicht ihren Anfangsverdacht auf Geldwäsche und knapp ein Jahr nachdem eine Razzia der Staatsanwälte das Treiben der S&K-Chefs in einer Großrazzia beendete, entzog die Aufsicht den letzten S&K-Gesellschaften die Zulassung … Anleger konnten vom Vorgehen gegen die letzten S&K-Ableger in diesem Jahr erst auf Handelsblatt Online erfahren.“
Anlegerschutz als Handlungsoption für die Politik
BaFin-Autor Fusswinkel kommt nicht umhin, einem gewissen Handlungsdruck für die Politik Ausdruck zu verleihen und schiebt (vielleicht zu recht) das ganze Thema in Richtung Politik. Wie in einem schlechten Restaurant, wo ein angesprochener Kellner auf den nächsten verweist. Es sei ja schließlich nicht sein Revier und was die störenden Kunden überhaupt wollen.
Fusswinkel sollte sich seine eigenen Worte im Artikel noch mal kritisch durch den Kopf gehen lassen: „Laut Gesetz ist sie (BaFin) dem öffentlichen Interesse des kollektiven Verbraucherschutzes verpflichtet. Sie setzt sich für transparente und verständliche Marktbedingungen ein. Dabei berücksichtigt sie die Erkenntnisse von Verbrauchern und Verbraucherschutzorganisationen.“ Man brauchte also nur so zu handeln. Deshalb wird es schon interessant, wie sich die zuständigen Minister Schäuble und Maas zu dem Thema positionieren werden. „Maasvoll“ oder „maßlos“?
Kapitalanlageangebote mit Risiko – ja. Aber bitte auch mit Transparenz zur Risikoklasse für die Kleinanleger durch alle Finanzanlageinstitute und nicht nur als regulatorische Pflicht für Banken und Versicherer.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der risikostärkeren Anlageprodukten bei Ihren Kunden?
Dr. Peter Schmidt Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als „assekuranzdoc“. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.