„Wir brauchen Vermittler, die sich ihrer starken Rolle bewusst sind“
Was für ein Comeback: Nachdem er vom bisherigen Aufsichtsrat aus dem Amt gejagt wurde, ist Axel Kleinlein nach einer außerordentlichen Mitgliederversammlung wieder Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten (Tagesbriefing berichtete). Die Mitglieder hatten den bisherigen Aufsichtsrat ersetzt – und der der neue Aufsichtsrat unter Führung der Hamburger Verbraucherschützerin Edda Castelló setzte Kleinlein wieder auf seinem alten Posten ein. Nun spricht Kleinlein, der als ebenso scharfzüngiger wie fachkundiger Kritiker der Versicherungsbranche gilt, im Interview mit Tagesbriefing-Redaktionsleiter Markus Rieksmeier über seine künftige Arbeit beim BdV – und was die Versicherungswirtschaft von einem gestärkten BdV erwarten muss.
Herr Kleinlein, ein Blick zurück und zur Sache Verbraucherschutz: Welche wichtigen Dinge sind inhaltlich in den letzten sechs Monaten seit ihrer Entlassung aus dem Vorstand liegengeblieben?
Leider ist im Wahlkampf nicht immer auf die drängendsten und wichtigsten Fragen hingewiesen worden um den Wählern aufzuzeigen, wofür die einzelnen Parteien auch verbraucherpolitisch stehen. Aber natürlich sind auch weiterhin die Beteiligung an den Bewertungsreserven, die Frage nach funktionierenden und effizienten Lösungen zur Altersvorsorge im Fokus.
Die Flutkatastrophe hat zudem gezeigt, dass auch im Bereich der Sachversicherungen Diskussionsbedarf besteht. Und in der Gesundheitsvorsorge muss erst einmal eine neue Regierung die Weichen stellen.
Welche dieser Themen wollen Sie zuerst angehen?
Die Frage nach der Beteiligung an den Bewertungsreserven wird wohl sehr schnell neu diskutiert werden. Hier haben wir aber mit einer alternativen Beteiligung an der freien RfB auch schon einen konstruktiven Lösungsvorschlag vorgelegt. Ich hoffe die Politik und die Versicherungslobby sind auch einer praktikablen Lösung interessiert und versuchen nicht weitere auf Maximalkurs gegen die Verbraucher zu gehen.
Je nachdem welcher Regierung sich letztendlich bilden wird, werden dann womöglich andre Themen besonders wichtig: Die betriebliche Altersvorsorge, ein staatliches „Altersvorsorgekonto“ als Konkurrenz zu Versicherungslösungen oder gar eine Bürgerversicherung werden uns auf Trab halten.
„Wir können für die Verbraucher am meisten erreichen, wenn wir unser Know-how bündeln“
Werden Sie ihre Zusammenarbeit mit der Hamburger Verbraucherzentrale weiter intensivieren?
Ich habe ja bereits in meiner ersten Amtszeit gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Hamburg die Klage gegen die Allianz-Riester-Rente initiiert, übrigens auf Grundlage von Erkenntnissen eines Öko-Tests. In ähnlicher Weise möchte ich die Vernetzung zwischen den unterschiedlichen Akteuren auf Verbraucherseite vorantreiben. Wir können für die Verbraucher am meisten erreichen, wenn wir gemeinsam arbeiten und unser Know-How bündeln.
Wird es eine Art Arbeitsteilung geben, indem Versicherungsthemen künftig beim BdV „gebündelt“ werden?
Die verschiedenen Verbraucherorganisationen haben von vornherein sehr unterschiedliche Ausrichtungen und Akzentuierungen. Bei denen einen steht die direkte Verbraucherberatung im Mittelpunkt, andere bieten Hilfestellung durch Tests und mehr Informationen und wieder andere weisen durch politische Kampagnen auf Missstände hin. Dabei gehen diese verschiedenen Aufgaben auch Hand in Hand.
Wir als BdV haben als Nichtregierungsorganisation auch eine besondere Aufgabe, da wir zum einen besonders unseren Mitgliedern verpflichtet sind und keine staatliche Unterstützung bekommen. Das macht uns in manchen Punkten als besonders unbequem für die Politik. Und natürlich werden wir durch die Versicherungsangebote für unsere Mitglieder auch weiterhin der Branche zeigen, wie man es in dem einen oder anderen Bereich besser machen kann.
„Aktuell sehe ich nur die Honorarberatung als Lösung“
Wird der BdV ein Provisionsverbot, wie in England oder den Niederlanden, für Sparverträge fordern?
Die Frage der Provisionierung lässt sich nicht so leicht beantworten. Das was der Kunde zahlt sind je erst einmal die einkalkulierten Abschlusskosten und nicht die Provisionen. Das was wir meines Erachtens brauchen sind Abschlusskosten, die der Beratung angemessen sind, egal ob man sie Provision oder Honorar nennt. Und zusätzlich ein Provisionssystem, das Fehlanreize verhindert. Das heißt ein System, in dem die Vermittler nicht gezwungen werden, falsche oder schlechte Produkt zu verkaufen.
Aktuell sehe ich hier nur die Honorarberatung als Lösung. Aber nicht überall wo „Honorar“ drauf steht ist übrigens auch eine gute Beratung oder ein gutes Produkt zu erwarten. Da stehen wir noch am Anfang einer intensiven Diskussion.
„Bei den Vermittlern wird sich noch viel Spreu vom Weizen trennen müssen“
Sie haben in diesem Jahr „Eine Lanze für die Vermittler“ gebrochen. Wie können Ihrer Ansicht nach die Vermittler weiter mit Ihnen und Ihrer Verbraucher-Politik an einem Strang ziehen?
Wir brauchen Vermittler die sich ihrer starken Rolle gegenüber den Unternehmen bewusst sind und auch gute und passende Produkte aktiv einfordern. Dabei können sich Verbraucherschutz und Vermittler gegenseitig helfen. Es ist mehr und mehr unerträglich, wenn gut ausgebildete und verantwortliche Vermittler als Prellbock im Streit zwischen Unternehmen und Verbraucher missbraucht werden.
Dazu wünsche ich mir aber auch Vermittler, die sich dann klar gegen die schlechtausgebildeten Kollegen in den Strukturvertrieben und den AO-Organisationen stellen. Da wird sich noch viel Spreu vom Weizen trennen müssen.
Liebe Tagesbriefing-Leser? Was halten Sie von den Aussagen von Axel Kleinlein? Schreiben Sie uns Ihre Meinung in den Kommentaren auf dieser Seite!