Beratung für 1,86 Euro pro Minute – ist das Verbraucherschutz?

Verbraucherzentralen haben es gut. Überall so richtig schöne Feindbilder: Die Lebensmittelindustrie. Die Energieversorger. Und allen voran die angeblich so bösen Buben von der Versicherung. Alle wollen sie den Verbraucher über den Tisch ziehen. Nur der Verbraucherschutz tut das, was in seinem Namen steht: den Verbraucher schützen.

Aber tut er das wirklich?  

Denn zur Beratung braucht man Kompetenz – und einen Sachkundenachweis. In jedem Metzgerladen hängt der Meisterbrief als Zeichen dafür, dass hier Qualitätswaren verkauft werden. Jeder gute Autowerkstatt präsentiert stolz ihre ISO-Zertifizierung – und jeder Versicherungsmakler muss für seine IHK-Registrierung nicht nur Sachkunde, sondern auch den Nachweis der persönlichen Zuverlässigkeit und geordneter Vermögensverhältnisse erbringen. Gegen Fehlberatungen, sollten sie denn einmal vorkommen, muss und sollte er sich mit einer millionenschweren Vermögensschadenhaftpflichtversicherung absichern.

Aber was ist mit der Kompetenz der Verbraucherschützer? 

Schaut man sich das Angebot der Verbraucherzentralen an, kommt man sich vor, wie in einem Gemischtwarenladen: Hier gibt’s Informationen und -Beratungen über „Energie und Bauen“, dort zu „Lebensmittel und Ernährung“ – und hinten im Regal die Beratung zu „Versicherungen“ .

Und ja, man ist ja ganz modern: Der Kunde hat hier die Wahl zwischen persönlicher, telefonischer und Beratung per Mail…

Ich möchte hier ganz klar sein:

Grundsätzlich ist ja jede Maßnahme, die das Wissen über Versicherungsprodukte in der Bevölkerung vergrößert, zu begrüßen. Es ist sehr positiv und gesellschaftlich wichtig, wenn Verbraucherzentralen Vertrauen fördern und Verbraucher motivieren, etwas für die persönliche Risikoabsicherung zu tun.

Aber wer seine Kunden in Versicherungsdingen berät, sollte meiner Meinung nach schon über nachgewiesene Sachkunde verfügen – denn das verlangt der Gesetzgeber auch von jedem Versicherungsmakler oder -Vermittler.

Jede Verbraucherzentrale sollte also transparent darstellen, mit welcher nachgewiesenen Sachkunde sie ihre Kunden, den Verbraucher, berät.

Also suchen wir mal nach dem Sachkundenachweis „Versicherungen“ auf der Homepage zum Beispiel der Verbraucherzentrale Berlin. Ein suchender Blick auf die Homepage dieser „Alleskönner“ in Berlin verrät nicht viel. Weder in der Satzung noch unter „Wir über uns“ noch im Impressum ein Hinweis zu einer IHK-Registrierung oder zu nachgewiesener Sachkunde.

Dafür findet sich aber das vollmundige Versprechen:

„Unsere Versicherungsexperten wissen die richtige Antwort auf die Frage nach sinnvollen Versicherungen.“

Aha, zum Ersten gibt es also sinnvolle und nicht sinnvolle Versicherungen. Und ich dachte immer, es gibt unterschiedlichen Bedarf und unterschiedliche Wünsche sowie finanzielle Möglichkeiten von Kunden, Risiken abzusichern und Ziele wie Hausbau, Altervorsorge oder Kapitalaufbau zu verfolgen.

Zum Zweiten fällt die Formulierung „die richtige Antwort“ auf. Eine richtige Antwort für Single oder Familie, für Beamte oder Selbständige, Studenten oder Senioren? Plattitüden wie „wir wissen die richtige Antwort“ sind an „Blauäugigkeit“ kaum zu überbieten.

Antworten ohne Blick auf unterschiedliche Ausgangssituationen werden auch mit angebotenen computergestützten Tarifvergleichen nicht besser, diese können nur oberflächlich und falsch werden.

 

Haften die Verbraucherzentralen für ihren Rat?

Es wundert sicher niemanden, dass die Pflicht eines Maklers zum Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Versicherungsvermittlungen mit einer gesetzlichen Mindesthöhe von 1,13 Mio. EUR pro Versicherungsfall bzw. 1,7 Mio. EUR für alle Ansprüche pro Jahr meine Neugier zum Hinweis auf eine ebensolche bei den Verbraucherzentralen geweckt hat.

Statt einem Hinweis auf die Absicherung von Fehlberatungen über eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung findet sich im Impressum nur der übliche Hinweis für die Inhalte der Homepage „keine Gewähr übernehmen“ zu können.

Vielleicht kann man ein wenig Vorsorge für den Haftungsfall aus einer Formulierung im Tätigkeitsbericht der VZ Berlin für 2011 erahnen:

(Es) „ist …notwendig, die Beratungsangebote ständig auf den Prüfstand zu stellen, um schnell und effizient auf aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Dabei spielt zunehmend auch die Schaffung der entsprechenden personellen Voraussetzungen eine stetig wachsende Rolle.“

 

Beratungshonorar: 1,86 Euro pro Minute – am Telefon

Zur Antwort ein Blick auf die Kostenstruktur zur Beratung bei der Verbraucherzentrale Berlin. Die persönliche Versicherungsberatung gibt es ab 20,00 EUR. Für die Beratung per eMail-Anfrage weist man auf folgendes hin:

„Durch Absenden Ihrer Anfrage geben Sie ein Angebot auf Abschluss eines Beratungsvertrages ab. Sie sind 4 Werktage an Ihr Angebot gebunden. Der Beratungsvertrag kommt zustande, sobald Ihnen unsere Auftragsbestätigung per E-Mail zugeht.“

Für die telefonische Versicherungsberatung wird eine 0900er Nummer angeboten, die dann mit 1,86 Euro pro Minute (aus dem Netz der Telekom) abgerechnet wird.

Wie dies mit dem „Honorar“ einer persönlichen Beratung zusammenpassen soll, bleibt im Verborgenen.

Interessant wäre nur noch, wie viel „Beratungshonorar“ zum Beispiel für die telefonische Empfehlung zum Beispiel einer Berufsunfähigkeitsversicherung zusammen kommt. Makler brauchen dafür mindestens 45 Minuten – und dann ist die Annahmefähigkeit noch nicht abgeklärt. Vielleicht sind die Verbraucher dann doch ein bisschen überrascht, wie viel die Beratung durch die Verbraucherzentrale gekostet hat – und schalten empört den Verbraucherschutz ein.

Fazit

Verbraucher  bei der Wahrnehmung ihrer Interessen zu unterstützen, ist willkommen und notwendig. Verstöße gegen Wettbewerbsrecht oder gesetzliche Vorschriften brauchen eine Stimme. Gern kann dies das Betätigungsfeld der Verbraucherzentralen sein.

Aber flache Antworten auf komplexe Fragen bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen helfen keinem weiter. Ausgewiesene Fachkompetenz und transparente Bewertungen sind Forderungen, denen sich auch Verbraucherschützer stellen müssen.

Die Zeiten, in denen man sich mit veröffentlichten Preisvergleichen im Wettstreit „Was geht noch billiger“ profilieren konnte, sollten vorbei sein. Mit differenzierten Fallbeispielen für die Absicherung von Auszubildenden oder Familien mit unterschiedlichen Einkommen oder Senioren könnte man durchaus Kunden eine Orientierungen geben, wenn man sich auch solide um die Analyse der Ausgangssituation kümmert.

Die Beratung selbst gehört in die Hände von Experten.

Und ob dies per Telefonhotline für 1,86 EUR pro Minute geht, möchte ich ganz stark bezweifeln.

Oder wie sehen Sie das ?

 

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Dr. Peter Schmidt

Unternehmensberater im Bereich Versicherungen mit langjähriger Erfahrung als  Führungskraft und Vorstand im Bereich Personenversicherung / Maklervertrieb bei deutschen Versicherern. Er twittert als „assekuranzdoc“

 

 

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