Versicherungsbetrug: Wahrheit oder Lüge?

AssekuranzdocRezeptVersicherungsbetrugDetektive ermitteln. Versicherungsbetrüger zittern. Bei Betrugsfällen wird durch messerscharfe Recherche und beeindruckenden Experimenten die Wahrheit ans Licht gebracht. So zumindest vermittelte im Sommer die Reality-Show „Die Versicherungsdetektive“ eines Privatsenders ein ernstes Thema. 

Versicherungsbetrug – ein Kavaliersdelikt?

„Die wollen wieder nicht zahlen“ gehört wohl zu den weitläufigsten Formulierungen wenn es um Versicherungen geht. Skepsis und Argwohn von vielen Menschen resultieren aus dem Verhalten von Versicherungen, Schäden oft nicht einfach zu bezahlen sondern erstmal zu prüfen. Ursache Ist die Grauzone des Versicherungsbetruges, die die eingangs aufgeführte Fernsehserie ein wenig beleuchtet hat.

Viele unbescholtene Bürger und Versicherte können jetzt vielleicht ein wenig besser nachvollziehen, warum Versicherer Schäden prüfen und prüfen müssen. Denn die kriminelle Energie mancher Mitbürger scheint grenzenlos und ist in allen Schichten der Bevölkerung zu finden. Und der Schaden bewegt sich nicht im Bagatellbereich. Allein in der Schaden- und Unfallversicherung weist der GDV für Deutschland eine Schadensumme von über 4 Milliarden Euro aus. Für Europa soll die Schadensumme durch Betrug bei 8 bis 12 Milliarden Euro liegen. (Kölner Stadtanzeiger, 16.07.2013)

Mehr als jeder dritte Bürger glaubt in der Haftpflichtversicherung leicht betrügen zu können. Unrechtsbewusstsein – Fehlanzeige. Aber gerade die vielen kleinen alltäglichen „Tricksereien“ sind es, die summiert den großen gesamtgesellschaftlichen Schaden verursachen.

Das macht doch jeder mal…

Mangelndes Unrechtsbewusstsein von einigen Kunden und teilweise in „Zusammenarbeit“ mit deren Vermittlern führt dazu, dass nach Schätzungen fast jeder zehnte angezeigte Schaden ein fingierter ist. Am häufigsten wird dies bei der Hausrat- und  Haftpflichtversicherung versucht. Das durch eigene Unachtsamkeit beschädigte Smartphone oder die selbst zerstörte Brille werden ebenso wie der selbst verursachte Rotweinfleck auf dem Teppich zu „Versicherungsfällen“ gemacht. Man hat ja die Prämie bezahlt und nun soll mal die Versicherung zahlen. Das Ganze wird dann nach Absprachen im Bekanntenkreis oder manchmal auch mit dem Vermittler selbst geregelt. Immerhin 12 % der Befragten gaben an, schon einmal auf Versicherungsbetrug angesprochen worden zu sein.

Nicht immer geht es dabei um beschädigte Gegenstände. Andere Motive können neue Gerätegenerationen bei Smartphones oder die nicht mehr modische Brille sein. Der GDV gibt an, dass von rund 2.000 Schäden an Smartphones sich rund die Hälfte nicht als plausibel ergab. Ebenso auffällig, dass bei jedem zweiten KFZ-Unfall auch eine kaputte Brille zu verzeichnen
war.

Was bewegt Menschen zu diesen Straftaten?

Gerade beim Beispiel des Deutschen inzwischen liebsten „Spielzeug“, dem Smartphone, scheinen die Motive in der schnellen technischen Weiterentwicklung (man braucht ganz schnell das neueste Modell) und dem schnellen Preisverfall im  Zusammenhang mit finanziellen Engpässen zu liegen.

Was die meisten Betrüger nicht wissen, dass sie nicht nur ihren Versicherungsschutz auf Dauer gefährden sondern sich auch zivilrechtlichen Verfahren mit Strafandrohungen in schweren Fällen bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug aussetzen.

Besonders schwer fällt der Blick in die menschliche Seele von Betrügern, wenn für den Versicherungsbetrug sogar die eigenen Gesundheit aufs Spiel gesetzt wird. Ein 43-jähriger Zahnarzt stand kürzlich in Potsdam vor dem Richter, weil er sich einen Finger abgeschnitten hatte, dies aber als Raubüberfall deklarierte. Es ging fast um eine Million Euro Versicherungsleistung, um die er seine Versicherung betrügen wollte.

Fast zehn Jahre ist ein ähnlicher Fall in Süddeutschland her. Das Landgericht Würzburg verurteile damals zwei Männer zu jeweils eineinhalb Jahren Haft. Was hatten die zwei versucht? Ein damals 28-Jähriger trennte seinem Bekannten auf dessen Wunsch mit einer Kettensäge Daumen und Zeigefinger ab, um sich die Versicherungssumme zu erschleichen.

Leider gibt es hin und wieder „graue Kooperationen“ von Kunden und Vermittlern, die in diesen Bereich gehören. Ungesetzliche Teilung von Provisionen oder von Schadenerstattungen finden sich immer mal wieder vor Gericht wieder. Warum einzelne Vermittler so zum Handlanger oder gar Initiator solcher Betrugsfälle werden, lässt sich schwer nachvollziehen. Ist es falsch verstandener Kundenservice? Ist es Angst, den Kunden zu verlieren?

Versicherungsdetektive oder unspektakuläre Schadenaufklärung

Ja, bei der Schadenaufkärung werden durch Versicherungen auch Detektive eingesetzt. Ob es dabei immer so unterhaltsam und spannend zugeht wie in der Reality-Serie sei dahingestellt.

Wesentlich unspektakulärer findet die Prüfung von Versicherungsfällen im Alltag statt. Der Schutz der Versichertengemeinschaft vor Betrug und die Abschreckung sind wesentliche Ziele von Prüfmechanismen, die auch nicht geheim sind. Nach Prüfung des Schadenvorgangs werden die Fakten aus Berichten und Fotos ausgewertet und gemeinsam mit den Bestandsdaten sowie eventuellen Vorschäden auf Plausibilität geprüft. Ergibt sich kein Anfangsverdacht wird reguliert und die Versicherungsleistung ausgezahlt.

Schadenhäufungen, fehlende Zeugen, verwandte Antragsteller oder Nachfragen zum Versicherungsschutz kurz vor dem Schadenereignis können schon zu einem Anfangsverdacht führen. Bei Vorliegen von solchen Verdachtsmomenten bei der Erstprüfung werden weitere Maßnahmen fällig. Recherchen, Datenerhebungen oder Befragungen zum Beispiel von Sachverständigen folgen dann. Im Ergebnis kann im positiven Fall die Schadensregulierung oder im negativen Fall die Ablehnung erfolgen. Wird die Regulierung des Schadens wegen Betrugsverdacht abgelehnt, werden dann weitere meist juristische Schritte eingeleitet.

Abschreckung durch wirksame Hilfsmittel der Versicherer

Wenn die eingangs erwähnten Versicherungsdetektive oft scheinbar „aus dem Bauch“ heraus Verdachtsmomente hegen, stehen in der Praxis den Versicherern auch technische Hilfsmittel zur Verfügung. Das Hinweis- und Informationssystem (HIS) der deutschen Versicherungswirtschaft gehört dazu. Versicherungsunternehmen melden nach bestimmten Kriterien zum Beispiel Schadenhäufigkeiten oder Auffälligkeiten im Leistungsfall, die auf einen möglichen Betrug hinweisen.

Neu ist eine Software namens Precire, die beim Eingang der Schadensmeldung prüfen kann ob der Antragsteller auf eine Schadensregulierung die Wahrheit sagt oder nicht. Hierfür reicht nach Angaben des Geschäftsführers der Herstellerfirma Psyware, Dr. Dirk Gratzel, die Analyse von lediglich 100 bis 150 Worten aus, um eine Lüge zu erkennen. (AssCompact, 09.2013  http://www.psyware.de/)

Man kann demnach resümieren: Den Betrügern keine Chance, zum Nutzen der Versichertengemeinschaft.

Oder wie sehen Sie das?


Dr. Peter Schmidt

Peter_Schmidt_PortraitUnternehmensberater im Bereich Versicherungen mit langjähriger Erfahrung als  Führungskraft und Vorstand im Bereich Personenversicherung / Maklervertrieb bei deutschen Versicherern. Er twittert als „assekuranzdoc“.

In Kooperation mit der <br>INTER Versicherungsgruppe