Makler und Finanzberater als Seismograph der Gesellschaft
Wenn heute schon Bundestagswahl wäre, was würden Makler dann wählen? Sind Makler mit der aktuellen Regierungskoalition zufrieden? Welche Fragen stellen Makler an die Parteien? Spannende Fragen zu denen es schon ein paar Antworten gibt.
Am Freitag vorige Woche. „Maklerfrühstück“ zu Themen der strategischen Firmenentwicklung. In der unvermeidlichen Raucherpause geht’s vor das Hotel. Die Laternen voll mit Wahlplakaten mit mehr oder weniger bekannten Gesichtern. Und dann ging es los.
Ein Maklerkollege, schon voller Erwartungen auf das TV-Duell von Kanzlerin Merkel und dem Kandidaten Steinbrück: Was werdet ihr am 22.September wählen?
Mir wurde in der Diskussion schnell klar, wer sich als Makler tagein und tagaus mit der Absicherung von Risiken seiner Kunden, dem Vermögensaufbau und der Altersvorsorge berufsmäßig befasst, der hat den Finger am Puls der Zeit. Makler gehören wahrscheinlich wie Ärzte oder Rechtsanwälte zu den Berufsgruppen die spüren, was die Menschen bewegt und wie zufrieden die Deutschen mit ihrer Gesellschaft und dem Miteinander sind.
Herausforderungen an Vermittler sind enorm gestiegen
Versicherungsvermittler haben in den letzten Jahre das „Auf und Ab“ der Gefühlswelt der Kunden hautnah erlebt und gespürt. So gab es deutliche Veränderungen im Denken der Menschen zum Thema Vorsorge. Das Sparverhalten der Deutschen hat abgenommen. Tiefe Verunsicherung aus der Finanz- und Kapitalmarktkrise haben ebenso ihre Wirkungen gezeigt wie die anhaltenden Diskussionen um die steuerlich geförderten Altersvorsorgeprodukte. Das Wort „Riester“ können viele schon nicht mehr hören.
Nicht zu vergessen die Kunden verwirrenden Testergebnisse von einigen Verbraucherschützer zu den Themen Pflege und Berufsunfähigkeit, die nicht das Ziel des verbraucherorientierter Rates sondern der auflagen-fördernden „schwarzen“ News hatten. Verkaufs- und Einschaltqouten lassen sich eben mit den ein oder zwei Prozent problemhaften Versicherungsleistungen besser Pushen als mit 98 Prozent der problemlosen Auszahlungen von vereinbarten Leistungen.
Makler spüren über ihre Arbeit den finanziellen Druck, der auf den Kunden lastet und der sich in verstärkter Preisorientierung niederschlägt.
Sie bemerken aber auch den Trend zum Konsum, der sich in mangelnder Vorsorge für existenzielle Risiken der Kunden niederschlägt.
Makler in den Fängen der Regulierung und Administration
Es gibt nur wenige Berufe und Sparten in der Gesellschaft, die in den letzten Jahren so stark von neuen Vorschriften aus Brüssel und Berlin betroffen waren, wie Makler.
Im Kern sind diese umzusetzenden Vorschriften ja im Kundeninteresse, aber die Umsetzung wurde auf die beratenden Berufe abgewälzt, ohne dass deshalb die Vergütungen für den Mehraufwand zugenommen haben.
EU-Vermittlerrichtlinie (IMD), VVG-Reform und VVG-InfoV, Veränderungen bei §34c und §34d der Gewerbeordnung sind nur einige der gesetzlichen Regelungen, die in den letzen Jahren durch Vermittler umzusetzen waren.
Wenn man dann berücksichtigt, dass 48 Prozent aller Makler- Unternehmen nur einen Umsatz (!) von weniger als 100.000 Euro im Jahr erreichen (Quelle: Prof. Beenken, Versicherungsmagazin, 05.2012), dann kann man gut nachvollziehen, dass zusätzliche finanziellen Belastungen für einen professionellen Vermittlerbetrieb mit Büro, Mitarbeitern und einem angemessenen Unternehmerlohn kaum zu „stemmen“ sind. Das wirkt sich auf das „Weltbild“ der Versicherungsvermittler und deren zu erwartendes Wahlverhalten aus.
Würde die Mehrheit der Makler Schwarz-Gelb wählen?
Seit einigen Jahren fragt der AfW- Verband im Rahmen seines Vermittlerbarometers auch das mögliche Wahlverhalten seiner Mitglieder gewissermaßen als „Sonntagsfrage“ ab. In der „Sonntagsumfrage“ vom Juli 2013 ergab sich ein Meinungsbild zu Gunsten der CDU mit über 43% und der FDP mit über 18%.
Nun könnte man sagen: Makler bestätigen die Politik der bisherigen Koalition? Nein, so einfach kann man es sich meines Erachtens nicht machen. Meine Diskussion vom Freitag mit den Maklerkollegen zeigt ein differenzierteres Bild, was auch die Einstellung zum Beruf deutlich macht.
Eins eint aber alle Makler. Sie zeigen sich überaus kritisch zur überbordenden Bürokratie, falschen Akzenten der Politik zu mangelnder Transparenz und einer Steuerpolitik, die als zu kompliziert und mit falschen Anreizen für den Bürger versehen ist. Starker Widerstand wird dem „Entweder“ „Oder“ in der Frage Honorar- oder Provisionsberatung oder den Plänen aus Brüssel zum Wegfall von Provisionen mit IMD2 entgegengebracht.
Aber es gibt auch viele unterschiedliche Meinungen zu den Bereichen Soziales, Umwelt oder den Entwicklungen in Europa. Bei diesen Fragen werden auch die Konzepte der im Bundestag vertretenen Parteien häufig nicht als praktikabel eingeschätzt. Wie die „Sonntagsumfrage“ gezeigt hat, kann sich jeder Zehnte der Makler auch für neue „alternative“ Konzepte erwärmen.
Was haben Makler von den Parteien zu erwarten?
Selbstverständlich fragen auch Makler „Was bringt es uns?“, wenn es um die Wahlen geht.
Fragen wie:
- Wie stehen Sie zum unabhängigen Finanzdienstleister (als Gegenpol zu Banken oder dem Ausschließlichkeitsvertrieb der Versicherungen)?
- Wie ist Ihre Position zur Provisionsberatung? Sind Sie für ein Verbot?
- Welche Punkte müssten aus Ihrer Sicht beim Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Honorarberatung (§ 34 h GewO) noch verbessert werden?
- Sollte aus Ihrer Sicht die sogenannte Honorarberatung (außerhalb der Verbraucherzentralen) mit öffentlichen Mitteln gefördert werden?
zeigen, dass Makler als mündige Bürger ihre Rolle als wichtiges Glied zwischen Politik, Gesellschaft und Bürger als Dienstleister aktiv mitgestalten wollen.
Interessant auch die Antworten der Parteien auf die Frage die unlängst der BVK stellte, der speziell nach der Rolle der Vermittler für die sozialpolitische Verantwortung nach der Bundestagswahl für die Kunden fragte. Die abgedruckten Antworten bei Procontra-Online zeigen die grundsätzlich unterschiedlichen Auffassungen der beiden politischen Lager.
Die CDU betont die Rolle der Vermittler und will diese vor zusätzlichen steuerlichen Belastungen schützen, die bei einer Koalition von Rot-Grün drohen würden. Die Liberalen gehen auf die Rolle der Vermittler im Bezug auf den demografischen Wandel ein und betonen die Zunahme der Wichtigkeit deren Rolle für die private Vorsorge. Daher möchte die FDP „den Privatsektor noch weiter ausbauen.“ Man äußert die Erwartung, dass „speziell Vermittler gefragt (seien), die damit eine besondere sozialpolitische Verantwortung tragen.“
Die SPD sieht vor den Vermittlern neue Herausforderungen. Man anerkenne deren Rolle als Bestandteil der deutschen Wirtschaft, sieht aber in deren Selbständigkeit ein Problem, versteckt hinter der Vorsorge für die Vermittler in Bezug auf drohende Altersarmut. Die Grünen wollen den Versicherungsvertrieb zugunsten der Versicherten regulieren und sehen in der Provisionsvermittlung ein Hauptproblem für Fehlentwicklungen.
Die Linken sehen überhaupt keinen sozialpolitischen Auftrag bei den Vermittlern. „Die Riesterrente sei exemplarisch dafür, dass Vermittler primär aus unternehmerischer Sicht und „individuellen Interessen“ handeln.
Wahl als Zukunftsentscheidung für eine ganze Branche?
Wie intensiv sich Makler und mancher Pool für die Konzepte der Parteien für die nächste Legislaturperiode interessieren machen auch die in den BCA TOPNEWS veröffentlichten Zukunftsfragen für die Branche an die Parteien deutlich.
In unserer Frühstücksrunde sagte keiner konkret, was er am 22. September wählen wird. Aber die Meinungen zu einem vernünftigen Maß an eigener Verantwortung und gesellschaftlichem Miteinander, weniger Bürokratie und Anerkennung der sozialen Rolle beratender Berufe überwog deutlich.
Einige werden in den nächsten Tagen auch das Büro mit einem Wahl-Infostand der einen oder anderen Partei vertauschen und dafür werben, auf jeden Fall wählen zu gehen.
Oder wie sagt der Volksmund:
Der schlimmste Weg, den man wählen kann, ist der, keinen zu wählen.
Oder wie sehen Sie das?
Ihr Peter Schmidt
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Dr. Peter Schmidt
Unternehmensberater im Bereich Versicherungen mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand im Bereich Personenversicherung / Maklervertrieb bei deutschen Versicherern. Er twittert als „assekuranzdoc“.