GDV: Überarbeiteter Standardentwurf IFRS 4 ist ein Schritt in die richtige Richtung, muss aber weiter nachgebessert werden

Der heute vom International Accounting Standards Board (IASB) vorgelegte revidierte Standardentwurf für die Bilanzierung von Versicherungsverträgen (IFRS 4 Phase II) stellt aus Sicht des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zwar einen Fortschritt gegenüber dem Entwurf von 2010 dar: „Wir begrüßen, dass der intensive Meinungsaustausch zwischen Versicherungswirtschaft und IASB zu einer Verbesserung der vorgeschlagenen Bilanzierungsregeln geführt hat,“ urteilt Jörg von Fürstenwerth, Vorsitzender der GDV-Hauptgeschäftsführung. „Der neue Entwurf muss aber noch besser an unser langfristiges Geschäftsmodell angepasst werden, damit er von den Versicherern akzeptiert werden kann. Er bildet eine Basis für weitere Gespräche.“

Die Vorschläge von 2010 hatte der GDV noch als unbrauchbar beurteilt, weil sie am Versicherungsgeschäft weitestgehend vorbeigingen. Nach erster Durchsicht sieht der neue Entwurf Verbesserungen vor, gibt aber auch weiterhin Anlass für Kritik:

Ausweis von Zinsänderungen:

Nach den Vorstellungen des IASB erfolgt die Bilanzierung von Versicherungsverträgen, indem die damit verbundenen Zahlungsströme, zum Beispiel die erwarteten Schadenzahlungen, zu den jeweils aktuellen Marktzinsen abgezinst werden. Steigt der Zinssatz bis zum nächsten Bilanzstichtag, sinkt der Barwert einer Schadenrückstellung, obwohl die erwarteten Schadenzahlungen unverändert bleiben – und umgekehrt. Nach dem ursprünglichen Konzept des IASB hätten solche vermeintlichen „Gewinne“ und „Verluste“ in der Erfolgsrechnung ausgewiesen werden müssen. „Es liegt auf der Hand, dass eine derart kurzfristige Betrachtung für unser langfristig ausgerichtetes Geschäftsmodell nicht sinnvoll sein kann. Sie hätte die Aussagekraft der Gewinn- und Verlustrechnung stark verzerrt“, stellt von Fürstenwerth fest. Zentrales Anliegen der deutschen Versicherer war es deshalb, die Zinssatzänderungen nur in der Bilanz als Erhöhung oder Verminderung im Eigenkapital auszuweisen. Das hat das IASB nun aufgegriffen. Sehr kritisch zu beurteilen ist jedoch, dass diese Lösung verpflichtend anzuwenden ist, was nicht jedem Produkt und jeder Gegebenheit gerecht wird. Hier wäre ein Wahlrecht sachgerechter.

Der GDV fordert außerdem, dass Zinssatzänderungen auch bei den Kapitalanlagen erfolgsneutral abgebildet werden. Aktiv- und Passivseite sollten bei Zinsänderungen gleichmäßig atmen können, ohne unnötige Volatilitäten in der Gewinn- und Verlustrechnung auszulösen. „Das Geschäftsmodell der Versicherer beruht auf einem funktionierenden Zusammenspiel zwischen Kapitalanlagen und Versicherungstechnik. Die aktuellen Vorschläge spiegeln das immer noch nicht ausreichend wider“, konstatiert von Fürstenwerth.
Behandlung von überschussberechtigten Lebensversicherungen:

Das IASB hat zwar aufgegriffen, dass bei überschussberechtigten Lebensversicherungsverträgen die Bewertung der versicherungstechnischen Rückstellungen von den zur Bedeckung gehaltenen Kapitalanlagen abhängt. Leider verkennt das IASB dabei, dass die in die Verträge eingebetteten Garantien Teil dieser Verträge sind und nicht wie separate Bestandteile bilanziert werden dürfen. Eine ganzheitliche Behandlung eines Versicherungsvertrags ist zwingend erforderlich. Ohne weitere Nachbesserung ist der Vorschlag für diese Produktkategorie daher nicht praktikabel.
Behandlung von Bestands- und Neugeschäft:

Das IASB hat auch die ursprünglichen Vorschläge zu den Übergangsregelungen revidiert. Der Entwurf aus dem Jahr 2010 sah noch vor, dass Lebensversicherer die aus ihrem Vertragsbestand resultierenden Gewinne nach Umsetzung des Versicherungsstandards nicht mehr als solche hätten zeigen können. „Seit Jahrzehnten erfolgreiche Versicherer wie Start-ups aussehen zu lassen, wäre keine akzeptable Lösung gewesen“, stellt von Fürstenwerth klar. „Es ist sehr positiv, dass nun Bestands- und Neugeschäft nach einheitlichen Regeln behandelt werden soll.“
Die Konsultation der Vorschläge läuft bis zum 25. Oktober 2013. Der GDV fordert, dass die Arbeiten an IFRS 4 danach zügig fortgesetzt werden: „Wir dürfen nicht auf halbem Weg stehenbleiben. Der Standard wird weitreichende Auswirkungen auf unser Geschäft haben – beispielsweise auf die Kapitalanlagepolitik. Eine falsche Antwort auf die Frage der Behandlung kurzfristiger Wertänderungen könnte langfristige Investments für uns im Extremfall unattraktiv machen. Daneben spielt die Frage, wie überschussberechtigtes Geschäft und Garantien künftig bilanziell abgebildet werden, für die Produktgestaltung der Lebensversicherer eine ähnlich zentrale Rolle wie Solvency II“, sagt von Fürstenwerth.

IFRS 4 in Kurzform: Ein einheitlicher internationaler Rechnungslegungsstandard für Versicherungsverträge (IFRS 4) ist bereits seit 1997 im Gespräch. Bislang müssen Versicherungsunternehmen hierfür eine Zwischenlösung nutzen. Ein einheitlicher Standard wäre in erster Linie für Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen in der Europäischen Union verpflichtend. Langfristig könnte er sich aber auf die gesamte europäische und nationale Bilanzierung der Versicherer auswirken.

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