Versicherungsmarkt im Wandel: Cyberpolicen entspannen sich – Sach- und Haftpflicht geraten unter Druck

Der Druck auf den gewerblichen Versicherungsmarkt nimmt spürbar zu: Thomas Billerbeck, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler (BDVM), warnte auf der Jahrespressekonferenz in Hamburg vor einer deutlichen Verhärtung der Zeichnungskapazitäten für Sach- und Haftpflichtrisiken. Eine aktuelle BDVM-Umfrage zeigt, dass sich der Deckungsnotstand längst nicht mehr nur auf bekannte Risikobranchen wie Chemie, Recycling, Galvanik oder Holz beschränkt. Zunehmend betroffen seien auch Bereiche wie Rohstoffe, Lager & Logistik, Automobil, Lebensmittel und Immobilien. Der Trend ist eindeutig: Während die Nachfrage nach Absicherung steigt, dünnt das Angebot aus – ein Spannungsfeld, das den Markt zunehmend polarisiert.

Cyberversicherung stabilisiert sich – neue Player bringen Dynamik

Im Kontrast dazu: Die Cyberversicherung zeigt Entspannungstendenzen. Laut Sven Erichsen, Non-Executive Director beim Spezialmakler Finlex, sei die Schadenentwicklung für 2024/2025 „durchwachsen, aber nicht dramatisch“. Unternehmen hätten ihre IT-Sicherheitsstandards spürbar verbessert, wodurch Cyberangriffe seltener zu existenzbedrohenden Schäden führen. Der BDVM beobachtet: Cyberschutz ist längst kein Nischenthema mehr – selbst Mittelständler sichern sich zunehmend ab.

Nach den massiven Beitragssprüngen der Jahre 2020 bis 2024 stabilisiert sich der Markt nun. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sank die Schaden-Kostenquote von 124 Prozent im Jahr 2021 auf 80,7 Prozent im Jahr 2024 – auch wenn nur rund die Hälfte der Anbieter Daten meldet. Neue Anbieter wie Coalition, Stoik, Baobab und CFC drängen in den deutschen Markt, viele davon als spezialisierte Managing General Agents (MGA) mit Fokus auf Risikoscans und präventive Cyberservices. Parallel zeigen etablierte Versicherer wie HDI Global, Liberty und Generali wieder mehr Risikoappetit. Die Digitalisierung wirkt dabei wie ein Katalysator: Scan-Technologien ersetzen teils komplexe Fragebögen, beschleunigen Prozesse und senken Barrieren für Neukunden.

Cyberangriffe bleiben gefährlich – Gerichte schaffen Präzedenzfälle

Trotz positiver Trends bleibt die Bedrohungslage ernst. Laut Finlex verursachen Ransomware-Angriffe weiterhin den größten Teil der Schadenssummen, während kleinere Vorfälle wie Phishing oder „Fake-President“-Betrug in der Anzahl dominieren. Mit Künstlicher Intelligenz erreichen Betrugsversuche neue Dimensionen – etwa durch täuschend echte Videoanrufe, die Führungskräfte imitieren. Finlex mahnt daher: Investitionen in KI-gestützte Erkennungstools sind keine Kür, sondern Pflicht.

Erichsen warnt zudem, falsche Angaben zur IT-Sicherheit seien brandgefährlich. Das Landgericht Tübingen entschied 2023 zugunsten der Versicherungsnehmer: Veraltete Server führten nicht automatisch zur Leistungsfreiheit (Az.: 4 O 193/21). Doch ein Jahr später bestätigte das OLG Schleswig (Az.: 16 U 63/24) die gegenteilige Linie – wer IT-Fragen „ins Blaue hinein“ beantwortet, riskiert den Verlust des Versicherungsschutzes. Zwischen Vorsorge und Verantwortung, zwischen technologischem Fortschritt und menschlichem Versagen bleibt die Cyberversicherung damit ein Spiegelbild der Gegenwart: ruhig an der Oberfläche, doch mit unberechenbaren Tiefen.

Quelle

In Kooperation mit der
INTER Versicherungsgruppe