Seit Juli 2024 profitieren rund drei Millionen Erwerbsminderungsrentner:innen von einem Zuschlag, den die Ampelkoalition beschlossen und der Bundestag im Frühjahr verabschiedet hat. Doch ab Dezember 2025 greift ein neues Berechnungsprinzip: Der Zuschlag wird dann nicht mehr separat, sondern gemeinsam mit der Rente ausgezahlt – und zwar auf Basis der persönlichen Rentenpunkte statt des bisherigen Rentenzahlbetrags. Damit wird der Zuschlag künftig automatisch bei jeder Rentenerhöhung mitwachsen. Laut Deutscher Rentenversicherung Bund (DRV) soll die Neuregelung administrativ vereinfachen und gerechter gestalten, doch für bestimmte Gruppen, insbesondere Hinterbliebene, könnte sie finanzielle Einbußen mit sich bringen.
Neue Berechnungsgrundlage – alte Probleme für Witwen und Witwer
Was auf den ersten Blick nach einem technischen Detail klingt, hat spürbare Konsequenzen: Der Zuschlag wird künftig als Bestandteil der regulären Rente gewertet – und damit als anrechenbares Einkommen im Sinne von § 97 SGB VI. Die DRV Bund stellt klar: „Ab Dezember 2025 wird der Zuschlag zu Ihrer eigenen Versichertenrente als Einkommen bei der Witwen-/Witwerrente berücksichtigt und kann diese danach auch mindern.“ Das bedeutet konkret: Wer eine Erwerbsminderungsrente bezieht und zusätzlich eine Witwen- oder Witwerrente erhält, muss mit Kürzungen rechnen. Denn überschreitet die eigene Rente – inklusive Zuschlag – den Freibetrag, wird der übersteigende Anteil zu 40 Prozent auf die Hinterbliebenenrente angerechnet. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2025 bis 30. Juni 2026 liegt dieser Freibetrag bei 1.076,86 Euro monatlich, für jedes Kind erhöht er sich um gut 228 Euro.
Ein Beispiel verdeutlicht die Mechanik: Eine Netto-EM-Rente inklusive Zuschlag von 1.200 Euro übersteigt den Freibetrag um 123,14 Euro. 40 Prozent davon – also 49,26 Euro – werden von der Witwenrente abgezogen. Die Rentenversicherung zieht zur Berechnung pauschal 14 Prozent von Bruttorenten ab, um Kranken-, Pflegeversicherung und Steuerbelastung zu berücksichtigen.
Mehr Transparenz, kaum Mehrwert – und ein Nachklang sozialer Ungleichheit
Ganz ohne Lichtblick bleibt die Reform nicht: Wer durch die neue Berechnung eine höhere Rente erhält, bekommt eine Nachzahlung – multipliziert mit 17 Monaten, also rückwirkend von Juli 2024 bis November 2025. Laut DRV-Sprecherin Gundula Sennewald profitieren beispielsweise Eltern mit mehreren Kindern, da geringere Pflegeversicherungsbeiträge ab Dezember 2025 erstmals berücksichtigt werden. Dennoch betont sie: „Insgesamt wird sich die Höhe der ausgezahlten Rentenbeträge zum 1. Dezember 2025 kaum ändern.“
Anspruch auf den Zuschlag haben Rentner:innen, deren Erwerbsminderungsrente zwischen 2001 und 2018 begonnen hat – und zwar auch dann, wenn die EM-Rente später in eine Altersrente übergegangen ist. Wer zwischen Januar 2001 und Juni 2014 in Rente ging, erhält 7,5 Prozent Zuschlag, wer zwischen Juli 2014 und Dezember 2018 startete, 4,5 Prozent. Damit gleicht die Regierung eine Schieflage aus, die alte EM-Renten jahrelang benachteiligte. Doch das neue Verfahren offenbart auch eine bekannte Antithese des Systems: Gerechtere Berechnung – aber nicht für alle. Denn ausgerechnet jene, die am stärksten auf jede Euro-Erhöhung angewiesen sind, könnten am Ende weniger in der Tasche haben.
