Getsafe gibt BaFin-Lizenz ab – Strategiewechsel hin zum digitalen Assekuradeur

Das Heidelberger Insurtech Getsafe hat seinen Strategiewechsel offiziell gemacht: Noch 2025 will das Start-up seine BaFin-Lizenz als Schaden- und Unfallversicherer zurückgeben. „Die Lizenz bietet uns keinen Wettbewerbsvorteil mehr“, erklärt Gründer Christian Wiens gegenüber dem Handelsblatt. Künftig setzt das Unternehmen voll auf seine Rolle als Assekuradeur – und damit auf Kooperationen mit Versicherern, die die Risiken in ihre Bücher übernehmen. Die bestehenden Verträge sollen laut Wiens übertragen werden.

Der Schritt überrascht nur bedingt: Getsafe ist bislang das einzige Insurtech der Gründungswelle ab 2015, das in der Sachversicherung schwarze Zahlen schreibt – im Jahr 2024 mit einem Gewinn von 700.000 Euro bei 26 Millionen Euro Prämieneinnahmen. Doch das Modell sei zu starr, zu kapitalintensiv – und vor allem: zu langsam. Wiens sieht das digitale Plattformgeschäft als skalierbarer und wachstumsstärker. Bereits heute erzielt Getsafe einen Großteil des Umsatzes mit der Vermittlung – laut Unternehmensangaben liegt das vermittelte Beitragsvolumen bei über 500 Millionen Euro, insbesondere in Leben und Kranken.

Keine Einzelentscheidung – Getsafe folgt einem Branchentrend
Getsafe ist nicht allein mit der Abkehr vom Lizenzmodell. Schon 2022 gab der Gewerbeversicherer Mailo seine BaFin-Lizenz zurück. Andere Marktteilnehmer wie Coya (später Luko) oder Wefox zogen sich infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten ganz zurück. Zuletzt rutschte der Berliner Digitalversicherer Element in die Insolvenz. Professor Henning Weinmann von der Hochschule Ludwigshafen bringt es auf den Punkt: Ohne kritische Größe sei der wirtschaftliche Betrieb eines Versicherers angesichts wachsender Anforderungen – von Digitalisierung über Fachkräftemangel bis hin zu ESG – kaum leistbar.

Dietmar Kottmann von Oliver Wyman bestätigt den Trend, ohne Getsafe direkt zu kommentieren: Der Erfolg digitaler Versicherungsmodelle hänge weniger an einer Lizenz als an der Fähigkeit, eine loyale Kundengruppe aufzubauen. Auch Neodigital – derzeit eines der wenigen Insurtechs mit aktiver Lizenz – richtet sich technologisch neu aus. Die Neodigital Autoversicherung wird nun vollständig von der Huk-Coburg übernommen, das Unternehmen selbst will sich künftig als Technologieanbieter positionieren.

Technologie statt Regulierung: ein bewusster Kurswechsel
Wiens betont, dass es sich bei der Lizenzrückgabe nicht um einen Rückzug aus dem Markt handelt – sondern um eine bewusste strategische Entscheidung. Die selbst entwickelte Plattform, kombiniert mit KI-gestützter Beratung und Sofortregulierung via App, sieht Getsafe als seinen zentralen Wettbewerbsvorteil. Eine Partnerschaft mit einem Lebens- oder Krankenversicherer wäre denkbar gewesen, so Wiens – Namen nennt er nicht. Ein naheliegender Kandidat: Ottonova, das derzeit einzige Insurtech mit Krankenversicherungslizenz.

Der einstige Glaubwürdigkeitsfaktor der Lizenz hat ausgedient – geblieben ist der Anspruch, als digitale Versicherungsplattform Maßstäbe zu setzen. Getsafe verabschiedet sich damit nicht vom Markt, sondern von einem alten Modell.

Quelle

In Kooperation mit der
INTER Versicherungsgruppe