Versicherungsfusionen nehmen Fahrt auf: Barmenia-Gothaer macht Druck, Nürnberger könnte folgen

Die größte Fusion im deutschen Versicherungsmarkt seit Jahren – sie ist längst Realität: Mit dem Zusammenschluss von Barmenia und Gothaer ist ein neuer Branchenriese mit 8,6 Milliarden Euro Beitragseinnahmen und rund acht Millionen Kunden entstanden. Doch was aussieht wie ein kraftvoller Schulterschluss, ist auch Ausdruck wachsender Unsicherheit: „Wir wollen in jedem Segment zu den Top drei gehören“, so Co-Vorstandschef Oliver Schoeller gegenüber dem Handelsblatt. Und diese Ambition kommt nicht von ungefähr. Die Liste der Herausforderungen ist lang: Klimawandel, Cyberrisiken, regulatorischer Druck – und ein wachsender Investitionsbedarf in IT-Infrastruktur. Das Ergebnis: Der Markt konsolidiert sich spürbar. Auch bei der Nürnberger Versicherung stehen die Zeichen auf Wandel. In der Hauptversammlung im Mai erklärte der Vorstand, man prüfe ergebnisoffen strategische Optionen. Brancheninsider spekulieren: Wird hier ein Verkauf vorbereitet?

Fusion oder Rückzug – zwischen Strategiewandel und Stillstand

Es ist das Bild einer Branche im Wandel: Während börsennotierte Versicherer wie Allianz, Munich Re oder Talanx bereits in stabilen Großstrukturen agieren, könnten bei kleineren Playern wie der Stuttgarter und SDK bald die Sektkorken knallen – oder eben nicht. Die beiden prüfen seit Oktober 2024 die Gründung eines Gleichordnungskonzerns ab Juli 2025, ein Zwischenschritt zur vollständigen Fusion. Professor Hermann Weinmann von der Hochschule Ludwigshafen sieht solche Zusammenschlüsse als betriebswirtschaftlich notwendig, besonders im Bereich der Lebensversicherung: „Mit geringem Beitragsvolumen ist Stabilität über Jahrzehnte kaum zu sichern.“ Und auch Lars Heermann von Assekurata konstatiert: Die ökonomischen, technischen und regulatorischen Anforderungen steigen weiter – der Konsolidierungsdruck bleibt hoch. Kurzum: Wer nicht fusioniert, könnte vom Markt verschwinden.

Mehr als nur ein Zusammenschluss: Vertriebskraft und Windenergie

Das neue Konstrukt Barmenia-Gothaer ist dabei mehr als ein Rechenspiel. Die Fusion verbindet zwei komplementäre Geschäftsmodelle: Barmenia als PKV-Spezialist trifft auf Gothaer, die besonders im Sachgeschäft und bei Windkraftanlagen stark war. Doch ein Zusammenschluss bleibt nur dann erfolgreich, wenn auch die Menschen mitziehen. Deshalb gibt es Standort- und Arbeitsplatzgarantien bis 2029. Parallel wird der Vertrieb neu geordnet – mit über 4.500 Außendienstlern soll die Schlagkraft im Wettbewerb gegen Maklerpools und Vergleichsportale gesteigert werden. Auch operativ stehen große Aufgaben bevor: Die Integration der beiden Krankenversicherer soll bis Ende 2028 abgeschlossen sein. Und trotzdem gilt: Erst die nächsten Jahre werden zeigen, ob aus zwei Starken ein echter Champion geworden ist – oder ein bürokratischer Koloss.

Quelle

In Kooperation mit der
INTER Versicherungsgruppe