Fronten verhärtet, Streikbereitschaft hoch: Tarifkonflikt spitzt sich zu
Am Freitag, dem 23. Mai, treffen sich die Tarifparteien der Versicherungsbranche zur dritten Verhandlungsrunde – mit erhitzter Stimmung im Gepäck. Während Verdi und der Deutsche Bankangestellten-Verband (DBV) eine Lohnsteigerung von zwölf Prozent innerhalb eines Jahres fordern, bleibt der Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland (AGV) bei einem Angebot von 8,36 Prozent – allerdings über einen Zeitraum von 35 Monaten verteilt. Die Differenz: nicht nur prozentual gewaltig, sondern auch symbolisch. Denn nach Jahren hoher Inflation pocht Verdi auf den Ausgleich massiver Reallohnverluste. Die Antwort der Arbeitgeberseite? Ein Angebot mit beispiellosem Volumen, das jedoch auf breite Ablehnung stößt – und zu bundesweiten Warnstreiks führt.
650 Demonstrierende in Köln, über 1.000 erwartet in Hamburg: Streikwelle rollt durchs Land
Der Startschuss fiel am Dienstag: Köln, Düsseldorf und andere Schlüsselstandorte der Branche waren erste Etappenziele der Arbeitsniederlegungen. Allein in Köln versammelten sich rund 650 Streikende, flankiert von weiteren 150 Beschäftigten im Homeoffice. Ergo und Axa waren unmittelbar betroffen. In Hamburg, Heimat von HanseMerkur und Ergo Leben, erwartete Verdi zur zentralen Kundgebung am Donnerstag rund 1.000 Teilnehmende. Auch in Bremen, Hannover, Nürnberg und Oldenburg rief die Gewerkschaft zum Ausstand auf. Michael Jacobsen von Verdi Hamburg sprach offen von einem „Ausdruck mangelnder Wertschätzung“, da dem Zwölf-Prozent-Ziel der Gewerkschaft im ersten Jahr lediglich 3,6 Prozent gegenüberstünden. Die nächste Protestwelle sei bereits in Vorbereitung: Für die kommende Woche sind Streiks in Karlsruhe, Stuttgart, Kiel und Düsseldorf angekündigt – pünktlich zur nächsten Verhandlungsrunde.
AGV kontert mit rechtlichem Einwand – und beschwichtigt beim Betriebsrisiko
Während Verdi den Druck erhöht, reagiert der AGV mit juristischen Einordnungen. Laut AGV-Vize Sebastian Hopfner seien die Streiks möglicherweise rechtswidrig, da die Verhandlungen nicht gescheitert seien – eine Voraussetzung für legitime Arbeitskampfmaßnahmen, wie ein BAG-Urteil von 1995 (1 AZR 217/95) belege. Zudem kritisiert der Verband eine unzureichende Kommunikation seitens der Gewerkschaft: Arbeitgeber würden teils zu spät oder gar nicht informiert. Verdi-Gewerkschafter Beier widerspricht und betont, die Informationspflicht sei erfüllt. Rechtlich verbindliche Fristen gebe es ohnehin nicht, wie das BAG betont. Trotz der teils hitzigen Auseinandersetzungen bleibt der AGV gelassen: Die bisherigen Streiks hätten keine spürbaren Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb gehabt. Hopfner verweist auf das bisher höchste Einstiegsangebot seit 20 Jahren – mit Zusatzkosten von 1,2 Milliarden Euro. Am Freitag gehe man mit „konstruktivem Geist“ in die nächste Runde.