Altersvorsorge in Deutschland: Werding fordert klare Struktur und einfaches Standardprodukt

Kapitaldeckung als Schlüssel zur stabilen Altersversorgung
Am Dienstag auf der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) setzte Martin Werding, Professor für Sozialpolitik an der Ruhr-Universität Bochum, ein deutliches Signal: Die Altersversorgung in Deutschland braucht mehr ergänzende Kapitaldeckung – aber nicht über alle Säulen gleichzeitig. Sein Vorschlag: Die zweite Säule, die betriebliche Altersversorgung (bAV), und die dritte Säule, die private Vorsorge, müssen eng verzahnt und klar aufeinander abgestimmt werden. Kapitaldeckung bedeutet, dass die Rentenbeiträge individuell am Kapitalmarkt angelegt werden und so Eigenkapital erwirtschaften. Das ist zwingend notwendig, da die gesetzliche Rente aus dem Umlageverfahren künftig nicht mehr ausreichen wird, insbesondere vor dem Hintergrund eines anhaltenden Fachkräftemangels, bei dem betriebliche Renten für Arbeitgeber eine wichtige Rolle als Instrument zur Mitarbeiterbindung spielen.

Einfachheit statt Komplexität: Das Standardprodukt für KMU
Werding fordert ein renditeorientiertes, aber zugleich einfaches Vorsorgeprodukt für die private Altersvorsorge – eine Art moderner Riester mit verpflichtender Teilnahme, aber flexibler Ausstiegsoption („Opt-Out“), beispielsweise wenn bereits in Immobilien investiert wird. Dieses Produkt soll auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der bAV nutzbar sein, um dort Klarheit und Übersicht in einem sonst vielfach verwirrenden Produktdschungel zu schaffen. Gerade kleinere Betriebe scheitern derzeit oft an der Vielzahl von Durchführungswegen und Angeboten, was die Verbreitung der bAV hemmt. Die Daten von Bundesarbeitsministerium und Umfrageinstitut Verian bestätigen diesen Trend: Nur knapp ein Viertel der Kleinunternehmen mit bis zu vier Mitarbeitern bietet eine bAV, und die Quote unter jüngeren und geringer verdienenden Beschäftigten liegt noch niedriger.

Abkehr von der Aktienrente: Werding warnt vor Risiken
Kritisch sieht Werding hingegen die von der Vorgängerregierung geplante „Generationenkapital“-Lösung, die Staatsverschuldung in Aktienfonds investieren wollte. Für ihn ist die sogenannte Aktienrente kein verlässliches Instrument, um die Altersversorgung langfristig zu sichern. Die Gefahr, dass diese Rücklagen zweckentfremdet werden, ist zu groß. Deshalb plädiert er klar: „Keine Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rentenversicherung.“ Auch eine erweiterte Aktienrente, bei der ein fester Anteil der Beiträge in Fonds fließt, hält er für problematisch. Angesichts dieser Herausforderungen stellt Werding nüchtern fest: „Da werden wir nicht drumherum kommen“ – das bedeutet eine umfassende Reform der bAV und privaten Vorsorge als dringend notwendig.

Die Altersvorsorge steht vor einem Wendepunkt: Zwischen komplexen politischen Vorhaben und der praktischen Realität kleiner Betriebe herrscht eine deutliche Kluft. Die Lösung, so Werding, liegt in klaren Strukturen, einfachen Produkten und einer realistischen Einschätzung der Rolle von Kapitalmärkten in der Rentenpolitik.

Quelle

In Kooperation mit der
INTER Versicherungsgruppe