In einer alarmierenden Einschätzung warnte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), am Dienstagabend bei „Markus Lanz“ im ZDF vor einem drohenden Kollaps der deutschen Krankenkassen. Er erklärte, dass die aktuelle finanzielle Belastung des Systems nicht mehr lange tragbar sei und keine der großen Parteien in Deutschland eine tragfähige Lösung anzubieten habe.
Die alarmierenden Zahlen: Wie lange hält das System noch?
ZDF-Moderator Markus Lanz zog zu Beginn der Sendung eine erschreckende Bilanz: Jeden Tag fließen über eine Milliarde Euro in die deutschen Krankenkassen – eine Zahl, die sich tief ins Gedächtnis brennen sollte. Als Hüther gefragt wurde, wie lange sich Deutschland diese Belastung noch leisten könne, fiel seine Antwort deutlich aus: „Solange wir eine leistungsfähige Wirtschaft haben, können wir viel in die Systeme investieren. Doch diese haben wir nicht mehr.“ Der Ökonom wies darauf hin, dass die demografische Entwicklung und das geringe Wirtschaftswachstum die Belastung für die Sozialsysteme massiv erhöhen werden. Der von ihm prognostizierte Rückgang des Wachstumspotentials auf gerade einmal 0,5 Prozent jährlich sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass es wenig Spielraum für eine nachhaltige Finanzierung gebe.
Politikversagen oder fehlende Lösungen?
Hüther kritisierte scharf die Bundesregierung und die Parteien im Wahlkampf: „Keine der derzeit agierenden Parteien hat in ihrem Programm eine überzeugende Lösung für dieses Problem.“ Besonders der demografische Wandel, der 2025 mit einem markanten Anstieg der älteren Bevölkerung weiter an Fahrt gewinnt, verlangt dringend nach einer wirksamen Reaktion. Dabei sind laut Hüther vor allem strukturelle Anpassungen notwendig, da die zunehmende Alterung der Gesellschaft künftig ein deutliches Hemmnis für das Wirtschaftswachstum darstellen wird.
Die Politik müsse jetzt handeln, und zwar schnell, anstatt auf die nächste Legislaturperiode zu warten. Die dringenden Themen, die jetzt auf der Agenda stünden, seien viel zu wichtig, als dass sie weiter aufgeschoben werden könnten.
Mütterrente und Produktivität: Fehlende Prioritäten in der Politik
Eine weitere politische Maßnahme, die Hüther kritisch hinterfragte, war die Ausweitung der Mütterrente, die in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD beschlossen wurde. Laut Hüther sei diese Maßnahme unter den aktuellen Bedingungen nicht prioritär und könne nicht an erster Stelle stehen. Stattdessen müsse die Politik verstärkt auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Steigerung der Arbeitsproduktivität setzen, um das Finanzsystem langfristig zu stabilisieren. Denn die Produktivität lasse sich nicht einfach anheben – viel eher müsse man das Arbeitsvolumen steigern, um damit die erforderlichen Lohnsummen zu generieren, die für die Finanzierung der Sozialsysteme notwendig sind.