CDU/CSU und SPD wollen die Elementarschadenversicherung verpflichtend machen – nicht nur für neue Verträge, sondern auch rückwirkend für bestehende Policen. Das geht aus einem internen Papier der Arbeitsgruppe „Innen, Recht, Migration und Integration“ hervor, das der Redaktion von procontra vorliegt. Geplant ist: Im Neugeschäft soll eine Wohngebäudeversicherung künftig nur noch mit Elementarschutz erhältlich sein. Bestehende Verträge würden zu einem Stichtag automatisch ergänzt – gegebenenfalls mit einer Opt-out-Klausel. Der Vorstoß verleiht der seit Jahren stockenden Debatte neue Dynamik. Doch in der Branche regt sich Widerstand: Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) begrüßt laut Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen zwar die neue Bewegung in der Diskussion, mahnt aber einen ganzheitlichen Ansatz an. Prävention, Rückversicherung und politische Verantwortung müssten mitgedacht werden, so Asmussen im Gespräch mit procontra.
Streitpunkt Verantwortung: Pflichtschutz entlässt Kommunen aus der Pflicht?
Kritik kommt auch von ALH-Vorstandsmitglied Kai Waldmann. Er warnt davor, dass eine Pflichtversicherung lokalpolitische Fehlanreize setzen könnte – insbesondere dort, wo weiterhin in hochwassergefährdeten Gebieten gebaut wird. „Das wäre kontraproduktiv“, so Waldmann. Die Planungsverantwortung müsse bei den Ländern verbleiben. Auch die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) stellt klar: Eine Pflichtversicherung ist kein Allheilmittel. Vorsitzender Dr. Maximilian Happacher verweist auf die Notwendigkeit eines umfassenden Kumulschutzes – denn Naturgefahren treten meist nicht isoliert auf, sondern regional gebündelt. Daher sei eine starke Rückversicherungsstruktur essenziell, idealerweise ergänzt durch eine staatliche Rückversicherung, wie sie in den Koalitionsplänen angedacht ist. Wichtig sei außerdem, dass Präventionsmaßnahmen mitgedacht würden – etwa bei der Ausweisung neuer Baugebiete oder in waldbrandgefährdeten Regionen.
Versicherungsschutz wird komplexer – und teurer
Ein zentraler Punkt bleibt die risikogerechte Prämienkalkulation. „Wer in einem hochwassergefährdeten Gebiet lebt, muss auch höhere Beiträge zahlen – das ist versicherungsmathematisch zwingend“, betont Happacher. Sorge bereitet den Aktuaren vor allem die politische Diskussion um die Einbeziehung von schwer kalkulierbaren Risiken wie Sturmfluten. Solche Risiken könnten laut DAV die Solidaritätskalkulation aushebeln und die Prämien für alle nach oben treiben. In Einzelfällen – bei weniger als einem Prozent des Bestandes – sei es denkbar, extrem hohe Risiken mit Solidaritätskomponenten abzufedern. Doch die Konsequenz sei klar: Die Pflichtversicherung würde für alle teurer, insbesondere dann, wenn individuelle Risikoaufschläge beibehalten würden. Happachers Fazit: Pflicht ja – aber nur mit Augenmaß, differenzierter Risikobewertung und einem klaren Verständnis dafür, was versicherbar ist und was nicht.
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