Wer sein Eigenheim versichert, erwartet im Schadensfall eine vollständige Kostenübernahme. Doch eine neue Entwicklung sorgt für Unruhe: Immer mehr Sachversicherer berufen sich auf Vorschäden, um Entschädigungszahlungen zu kürzen. Diese Praxis führt zu Unsicherheiten bei Versicherungsnehmern und Vermittlern. Wie der Hamburger Rechtsanwalt Vincent Jacobsen von der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte im aktuellen Kanzlei-Newsletter erklärt, sei dies vor allem bei Teil- und Reparaturschäden zu beobachten. Kunden und Makler würden verstärkt Fälle melden, in denen Versicherer eine Leistungskürzung aufgrund von vermeintlich nicht behobenen Vorschäden vornehmen.
Unterschied zwischen Instandhaltungspflicht und Vorschadeneinwand
Besonders wichtig ist laut Jacobsen die Abgrenzung zwischen einer Leistungskürzung wegen Verletzung der Wartungs- und Instandhaltungspflicht und dem eigentlichen Vorschadeneinwand. Im ersten Fall kann der Versicherer seine Zahlung reduzieren, wenn der Versicherungsnehmer nachweislich Mängel nicht behoben hat, die den Schaden begünstigt haben. Versicherungsmakler Achim Finke hatte in einem Interview mit dem Fachmagazin procontra darauf hingewiesen, dass es für Kunden oft schwer nachvollziehbar sei, wo ihre Instandhaltungspflicht beginne und ende. Besonders problematisch sei, dass Versicherer sich mitunter auf Gutachten berufen, die der Kunde zu völlig anderen Zwecken eingeholt hat – etwa zur Bestimmung des Versicherungswerts – und daraus vermeintliche Mängel ableiten.
Anders verhält es sich beim Vorschadeneinwand. Je nach Versicherungsgeneration werden laut Rechtsprechung lediglich die „erforderlichen“ oder „notwendigen“ Reparaturkosten erstattet. Das bedeutet: Nur jene Schäden, die direkt durch das versicherte Ereignis entstanden sind, gelten als erstattungsfähig. Vorschäden, die durch normale Abnutzung oder nicht-versicherte Ereignisse entstanden sind, können von der Erstattung ausgeschlossen sein. Kunden müssen in solchen Fällen beweisen, dass bestehende Vorschäden den aktuellen Schadensumfang nicht beeinflusst haben. Falls eine Abgrenzung möglich ist, kann der Versicherer in der Regel nur Materialkosten abziehen, während die Arbeitskosten erstattet werden.
Was Vermittler jetzt tun sollten
Um Konflikte mit Versicherern zu vermeiden, empfiehlt Jacobsen Maklern, ihre Kunden zur sorgfältigen Dokumentation und Instandhaltung ihrer Immobilien anzuhalten. Jeder sichtbare Baumangel sollte, selbst wenn er keine akute Gefahr darstellt, erfasst und behoben werden. Dies erschwert es Versicherern, später eine Leistungskürzung aufgrund von Vorschäden durchzusetzen. Zudem sollten Versicherungsnehmer bei der Schadensregulierung prüfen lassen, ob Vorschäden nicht durch das versicherte Ereignis „konsumiert“ wurden – also bereits durch den aktuellen Schaden behoben werden müssten.
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Rolle der Sachverständigen: Werden diese bei der Schadensbewertung hinzugezogen, sollten sie gezielt auf den Instandhaltungszustand sensibilisiert werden. Damit können Kunden verhindern, dass der Versicherer das Gutachten zu ihren Ungunsten interpretiert. Für Vermittler bedeutet die zunehmend komplexe Schadensregulierung nicht nur Herausforderungen, sondern auch eine Chance: Eine proaktive Beratung kann die Kundenbindung stärken und langfristig das Vertrauen in die Versicherungslösungen erhöhen.
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