Jahrzehntelang war der deutsche Markt die erste Wahl für Schweizer Versicherer, die expandieren wollten. Doch diese Ära scheint zu enden: Helvetia will ihr Deutschland-Geschäft verkaufen, und auch Baloise steht unter Druck, sich zurückzuziehen. Während die großen Versicherungskonzerne wie Allianz und Munich Re weiterhin hohe Gewinne erwirtschaften, gestaltet sich das Geschäft für mittelgroße Versicherer zunehmend schwierig. Naturkatastrophen, regulatorische Anforderungen und hohe Kosten für IT-Modernisierungen setzen die Branche unter Druck.
Helvetia: Verkaufsprozess läuft bereits – wer übernimmt?
Die Helvetia-Gruppe, seit 1862 auf dem deutschen Markt aktiv, hat nach Informationen der Süddeutschen Zeitung in den vergangenen Wochen unverbindliche Angebote von mehreren Bietern erhalten. Grundlage für diese Angebote war eine Präsentation, die das Unternehmen gemeinsam mit Investmentbankern erstellt hatte. Nun folgt die nächste Phase: Der digitale Datenraum wird für ausgewählte Interessenten geöffnet, die Einblicke in die internen Finanzdaten der Gruppe erhalten. Auf dieser Basis können sie verbindliche Kaufangebote abgeben. Ein Sprecher von Helvetia betonte, man kommentiere Marktgerüchte grundsätzlich nicht.
Zum Verkauf stehen zwei Tochtergesellschaften sowie eine Niederlassung mit insgesamt rund 800 Mitarbeitenden. Die Prämieneinnahmen belaufen sich auf rund eine Milliarde Euro. Dass Helvetia sich aus Deutschland zurückzieht, kommt nicht überraschend: Die Tochtergesellschaften liefern seit Jahren nur geringe Gewinne, hinzu kommt eine kostenintensive IT-Umstellung. Konzernchef Fabian Rupprecht, seit Ende 2023 im Amt, verfolgt eine klare Strategie: Der Konzern soll profitabler werden, auch durch Stellenstreichungen. 500 der weltweit rund 14.000 Arbeitsplätze sollen abgebaut werden.
Baloise unter Druck: Investor fordert vollständigen Rückzug
Auch Baloise, die in Deutschland lange unter dem Namen Basler bekannt war, könnte bald den deutschen Markt verlassen. Der schwedische Investmentfonds Cevian, größter Aktionär der Baloise mit einem Anteil von 9,4 Prozent, drängt auf diesen Schritt. Cevian-Chef Lars Förberg macht keinen Hehl aus seiner Meinung: Das Deutschland-Geschäft sei nicht erfolgreich und werde es auch nicht werden, erklärte er in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung. Bereits im Oktober 2024 verkaufte Baloise ihren deutschen Direktversicherer Friday an die Allianz.
Die Gründe für die wachsende Skepsis gegenüber dem deutschen Markt sind vielschichtig. Während Allianz und Munich Re weiterhin hohe Gewinne erwirtschaften, sieht es für kleinere Anbieter weniger rosig aus. Besonders das Geschäft mit Lebensversicherungen schrumpft, zudem fließt ein hoher Anteil der erzielten Gewinne an die Kunden zurück. Im Bereich Schadenversicherung belasteten Naturkatastrophen wie das Ahr-Hochwasser sowie hohe Verluste in der Kfz-Versicherung die Bilanzen vieler Versicherer.
Auch die Kostenstruktur spielt eine Rolle: Helvetia-Kunden zahlen beispielsweise eine Abschlusskostenquote von 5,6 Prozent – deutlich über dem Marktdurchschnitt von 4,5 Prozent. Die Verwaltungskosten sind mit 4,7 Prozent fast doppelt so hoch wie der Marktschnitt von 2,5 Prozent. Das alles macht die Policen für Kunden teurer – und den Markt für Versicherer unattraktiver.
Wie es für Helvetia und Baloise weitergeht, bleibt abzuwarten. Der Rückzug aus Deutschland wäre ein einschneidender Schritt, aber aus Investorensicht ein logischer. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob sich Käufer für die deutschen Einheiten finden – und ob sich weitere Versicherer aus dem umkämpften Markt verabschieden.