Regulierungsaufwand als Markthemmnis
Die private Unfallversicherung steht vor einem entscheidenden Wendepunkt: Branchenexperten kritisierten auf der MCC-Tagung „Unfallversicherung 2025“ am Mittwoch, dass die Produktkomplexität den Absatz massiv behindere. Ein Paradebeispiel liefert die Achillessehnenruptur. Laut E+S Rückversicherung AG sei die Schadenregulierung oft langwierig, da Faktoren wie Kraftanstrengung, Eigenbewegung und Mitwirkungsanteil differenziert betrachtet werden müssen. Eine Markterhebung zeigt jedoch, dass moderne Tarife inzwischen fast durchgängig leisten. Dr. Sonja Possin, Ärztliche Referatsleiterin der E+S, plädiert daher für eine klare Regelung: „Ein fest definierter Katalog von Verletzungen, bei denen automatisch geleistet wird, könnte die Regulierung erheblich vereinfachen.“
Assistance-Leistungen als Verkaufsargument
Neben der Absicherung gegen Invalidität rückt die private Unfallversicherung zunehmend als umfassendes Serviceprodukt in den Fokus. Christoph Meurer, Vorstand der Itzehoer Versicherung, betont die Relevanz von Assistance-Leistungen: „Diese müssen Notlagen kurzfristig und effizient lösen.“ Bereits seit 2021 bietet die Assekuranz eine telefonische Lebensberatung durch externe Psychologen an, die unabhängig von einem Unfall genutzt werden kann. Ergänzt wird das Angebot durch Unfallnachsorge und alltagsnahe Unterstützungsleistungen wie Einkäufe oder Haushaltsdienste. Laut Meurer sind Kunden bereit, positive Erfahrungen mit Assistance öffentlich zu teilen – ein strategischer Vorteil für die Vertriebsarbeit.
Neue Trends: Reha-Tarife und flexible Leistungserhöhungen
Ein weiteres Zukunftsfeld der Unfallversicherung sind Tarife mit Reha-Leistungen. Die E+S schätzt, dass mittlerweile fast 50 % der Policen eine solche Absicherung enthalten, allerdings meist in Premium-Produkten. Ein zentrales Problem bleibt die schnelle Schadensmeldung, damit frühzeitig Reha-Maßnahmen eingeleitet werden können. E+S-Bereichsleiterin Mariko Wassy schlägt vor, die Krankenversicherungskarte mit Hinweisen auf Reha-Leistungen zu versehen, um die Informationskette zwischen Versicherern und Kliniken zu verbessern. Der GDV verweist zudem auf die Vorreiterrolle der Kfz-Versicherer im Reha-Management und empfiehlt eine engere Zusammenarbeit mit der Unfallversicherung.
Neue Akzente setzt auch die Volkswohl Bund-Tochter Prokundo: Mit dem Tarif „ProTaxe“ werden Leistungen bereits bei geringen Invaliditätsgraden spürbar erhöht. Das Konzept sei laut Produktmanagerin Anna Mantei ein echter „Leistungsturbo“ – allerdings zu einem Mehrpreis von rund 40 %. Digitale Tools helfen Vermittlern, die Auswirkungen der Zusatzleistung transparent darzustellen und Kunden von den Mehrwerten zu überzeugen.