Berufsunfähigkeitsversicherung im Wandel: Preisrutsch und Marktumbruch

Preiskampf auf dem BU-Markt: Warum die Tarife sinken

Der Wettbewerb in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) spitzt sich zu: Mit der Erhöhung des Rechnungszinses auf 1,0 Prozent zum Januar 2025 haben zahlreiche Versicherer ihre Tarife neu kalkuliert. Die Folge? Die Preise für Kunden sind im Median um rund sieben Prozent gesunken – doch das Bild ist uneinheitlich. Während Anbieter wie die Stuttgarter, Swiss Life und der Volkswohlbund teils deutliche Preisnachlässe gewährten, haben einige Marktteilnehmer ihre Prämien sogar erhöht. Besonders bemerkenswert: Laut einer Mitteilung der Stuttgarter Lebensversicherung können sich durch die neue Berufsgruppenzuordnung Prämienreduktionen von bis zu 40 Prozent ergeben.

Doch nicht alle Vorteile der Zinserhöhung wurden an die Kunden weitergegeben. Nach Berechnungen der Munich Re wäre eine Reduzierung der Beiträge um bis zu elf Prozent ohne Beeinträchtigung der Ertragsmarge möglich gewesen. Tatsächlich wurden im Schnitt jedoch nur 60 Prozent der Ersparnisse an die Kunden weitergereicht, während 40 Prozent zur Stabilisierung der Ertragskraft einbehalten wurden. Ein notwendiger Schritt? Angesichts der Herausforderungen durch wachsende Leistungsanforderungen und sinkende Margen erscheint dieser Weg zumindest nachvollziehbar.

Marktdynamik und neue Herausforderungen

Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt ein paradoxes Bild: Trotz sinkender Rechnungszinsen ging die durchschnittliche BU-Prämie zwischen 2017 und 2023 um 14 Prozent zurück – gleichzeitig verbesserten sich die Leistungsstandards. Besonders in spezifischen Berufsgruppen war der Preisverfall drastisch: Bankkaufleute zahlten 2022 rund ein Drittel weniger als 2008, Elektroingenieure sogar 50 Prozent weniger. Doch genau diese Entwicklung stellt die Anbieter vor neue Herausforderungen. Analysen der Munich Re belegen, dass Top-Tarife für gefragte Berufe wie Bürokaufleute teilweise kaum mehr als die Best-Estimate-Kalkulation abdecken – ohne Kosten oder Risikopuffer. Ein Modell, das langfristig auf wackligen Beinen steht.

Um sich im Wettbewerb zu behaupten, setzen Versicherer zunehmend auf Produktanpassungen und differenzierte Preisstrategien. Die Signal Iduna etwa hat ihre SI Work Life-Produktlinie um neue Features wie eine erweiterte Infektionsklausel und eine längere Prüfzeit für Teilzeitklauseln erweitert. Parallel dazu geht der Trend zur granularen Risikobewertung weiter: Der Volkswohlbund hat Berufsklassen durch flexiblere Tarifstufen ersetzt und bezieht nun Ausbildung, Bürotätigkeitsanteil und Personalverantwortung stärker in die Beitragsberechnung ein. Gleichzeitig verkürzt sich der Abfragezeitraum für psychische Erkrankungen auf fünf Jahre – ein Schritt, der vielen Kunden zugutekommen dürfte.

Zukunftstrends: BU und Grundfähigkeit wachsen zusammen

Doch nicht nur die klassische BU steht im Fokus. Die Grundfähigkeitsversicherung gewinnt zunehmend an Bedeutung – als ergänzende oder alternative Absicherung für neue Zielgruppen. Die Zurich Gruppe Deutschland hat ihre Tarife optimiert, sodass Beiträge in allen Risikoklassen um bis zu 18 Prozent sinken. Besonders spannend: Die Verzahnung von Grundfähigkeit und BU schreitet voran. Zurich ermöglicht jungen Kunden, ihre Grundfähigkeitsversicherung bis zum 30. Lebensjahr ohne erneute Gesundheitsprüfung in eine BU umzuwandeln. Auch Swiss Life beobachtet diese Entwicklung genau: „In der Beratung geht es zunehmend um eine Kombination aus BU und Grundfähigkeit, um Kunden optimal abzusichern“, betont Stefan Holzer, Leiter Market Management Versicherung und Mitglied der Swiss Life-Geschäftsleitung.

Fazit: Die Branche befindet sich im Umbruch. Versicherer müssen innovative Wege finden, um ihre Ertragskraft zu sichern, ohne Kunden abzuschrecken. Klar ist: Wer nicht auf datenbasierte Risikoselektion, differenzierte Leistungskalkulation und effizientes Leistungsmanagement setzt, könnte langfristig ins Hintertreffen geraten.

Quelle

In Kooperation mit der
INTER Versicherungsgruppe