Die Lage am deutschen Gewerbeimmobilienmarkt verschärft sich: Die Zahl der ausfallgefährdeten Kredite ist deutlich gestiegen, warnte Bundesbankvorstand Michael Theurer im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z.). „Braut sich da etwas zusammen?“, fragte der US-Ökonom Rüdiger Bachmann auf der Plattform X. Die Ursachen sind vielfältig: Deutschlands strukturelle Wirtschaftsprobleme treffen auf den Trend zum Homeoffice, den Rückgang des stationären Einzelhandels sowie den durch steigende Zinsen bedingten Preisverfall. Eine brisante Mischung – insbesondere für offene Immobilienfonds, die Anlegern bislang als vergleichsweise sichere Anlageform galten.
Zwar investieren nicht alle Fonds vorrangig in deutsche Objekte, doch die Krise ist international. Laut einer Analyse von Barkow Consulting verzeichneten in Deutschland vertriebene offene Publikums-Immobilienfonds binnen 16 Monaten kumulierte Nettomittelabflüsse von mehr als sechs Milliarden Euro. Besonders drastisch fielen einzelne Abwertungen aus: Anleger mussten in einigen Fällen innerhalb kürzester Zeit zweistellige Wertverluste hinnehmen.
Klagen und Debatte um Risikoklassifizierung
Ein weiteres Indiz für die Probleme der Branche: vermehrte Klagen von Verbraucherschützern wegen angeblicher Falschberatung. Ein prominentes Beispiel ist die Klage der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth. Im Fokus steht der Fonds „UniImmo: Wohnen ZBI“ von Union Investment, der 2023 abrupt um fast 17 Prozent an Wert verlor. Die Verbraucherschützer argumentieren, dass die im Basisinformationsblatt ausgewiesene Risikoklasse „2“ (niedriges Risiko) verharmlosend gewesen sei. Das Gericht gab der Klage in einem ersten Versäumnisurteil statt. Eine endgültige Entscheidung wird für den 21. Februar erwartet.
Auch auf regulatorischer Ebene wird das Thema kritisch diskutiert. Die Bürgerbewegung Finanzwende fordert eine strengere Neubewertung offener Immobilienfonds und eine Verschärfung der BaFin-Richtlinien zur Risikoeinstufung. In einem von Fondsfachmann Stefan Loipfinger verfassten Gutachten werden wesentliche Mängel der aktuellen Einordnung beleuchtet. Ein zentraler Kritikpunkt: Die langfristige Bewertungsmethodik der Fonds führt dazu, dass Preisverfälle oft erst mit Verzögerung realisiert werden.
Perspektiven für Anleger
Trotz der aktuellen Herausforderungen bleiben offene Immobilienfonds ein Bestandteil vieler Portfolios. Sonja Knorr, Expertin der Ratingagentur Scope, betont, dass sie als langfristiges Investment durchaus Sinn ergeben, jedoch nicht als kurzfristiger Liquiditätspuffer dienen sollten. Anleger müssen sich der Risiken bewusst sein: In turbulenten Marktphasen sind negative Renditen und hohe Volatilität nicht ausgeschlossen. Die Jahres-Performance der wichtigsten Fonds variierte Ende 2024 stark – von minus 20,1 bis plus 3,8 Prozent. Die Diskussion über eine neue Risikobewertung wird weiter anhalten – und könnte weitreichende Konsequenzen für die Branche haben.