Ein Versicherungsnehmer, der aufgrund eines zervikalen Querschnittsyndroms berufsunfähig wurde, erhielt zunächst Leistungen von seinem Berufsunfähigkeitsversicherer. Nach einer erfolgreichen Umschulung zum Steuerfachgehilfen nahm er eine Teilzeittätigkeit auf. Der Versicherer entschied daraufhin, die BU-Leistungen einzustellen, da er die neue Teilzeittätigkeit als vergleichbar mit der ursprünglichen Vollzeitstelle als Vertriebsmitarbeiter ansah. In der Berufsunfähigkeitsversicherung können Versicherer die Leistungen einstellen, wenn der Versicherte eine neue, vergleichbare Tätigkeit aufnimmt, die hinsichtlich der beruflichen Stellung und des Einkommens ähnlich ist. Doch das Kammergericht Berlin beurteilte, dass diese Teilzeittätigkeit nicht den gleichen beruflichen und sozialen Status wie die vorherige Tätigkeit hatte und somit keine „Vergleichstätigkeit“ darstellt.
Bewertung der neuen Tätigkeit und soziale Wertschätzung
Nach den vertraglichen Bedingungen der Berufsunfähigkeitsversicherung muss eine neue Tätigkeit, um als „vergleichbar“ zu gelten, sowohl im Einkommen als auch in der sozialen Wertschätzung gleichwertig sein. Das Gericht stellte fest, dass die Teilzeitarbeit des Klägers weder in Bezug auf das Einkommen noch auf die soziale Wertschätzung mit seiner vorherigen Vollzeitstelle vergleichbar war. Ein wichtiger Punkt hierbei ist, dass eine Teilzeittätigkeit im Allgemeinen nicht denselben sozialen Status genießt wie eine Vollzeitbeschäftigung. Zusätzlich lag das Einkommen der neuen Tätigkeit mehr als 20% unter dem vorherigen Bruttojahresverdienst, was die Vergleichbarkeit weiter in Frage stellt. Der Versuch des Versicherers, Arbeitslosigkeit und Elternzeit als Grundlage für eine veränderte Erwerbsbiografie zu verwenden, wurde als nicht rechtens abgelehnt.
Urteil und Auswirkungen auf die Nachprüfungsentscheidungen von Versicherern
Das Urteil des Kammergerichts Berlin zeigt, dass bei der Nachprüfung von Berufsunfähigkeit sorgfältig und präzise vorgegangen werden muss. Es unterstreicht, dass Versicherer bei der Beurteilung neuer Tätigkeiten nicht nur das erzielte Einkommen, sondern auch die beruflichen Qualifikationen und den sozialen Status des Versicherten berücksichtigen müssen. Fehlentscheidungen in der Nachprüfung, wie im vorliegenden Fall, können zu erheblichen Nachzahlungsverpflichtungen führen. Dieses Urteil verdeutlicht die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung bei der Bewertung von neuen Tätigkeiten, um den Versicherungsschutz nicht zu untergraben und die sozialen und beruflichen Standards des Versicherten zu wahren.