Der Grundsatz „Rechts vor Links“ gilt als eine der zentralen Verkehrsregeln in Deutschland. Doch wie ein aktuelles Urteil des Landgerichts Lübeck zeigt, gibt es Ausnahmen von dieser Regel, die nicht jedem Autofahrer bewusst sind. Wenn ein Fahrzeug von rechts kommend über einen abgesenkten Bordstein auf eine Straße fährt und dabei mit einem anderen Fahrzeug kollidiert, kann der Fahrer des von rechts kommenden Fahrzeugs die volle Haftung für den Unfall tragen. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung, dass Autofahrer besonders vorsichtig sein müssen, wenn sie über abgesenkte Bordsteine fahren, da in solchen Situationen eine abweichende Rechtslage gelten kann.
Gerichtsurteil: Volle Haftung trotz Vorfahrt
In einem konkreten Fall, der am 26. Januar 2024 vor dem Landgericht Lübeck verhandelt wurde, wurde ein Autofahrer zu 100 Prozent für den Unfall haftbar gemacht, obwohl er von rechts kam. Der Unfall ereignete sich, als der Beklagte von einem Parkplatz aus über einen abgesenkten Bordstein auf eine Straße fuhr und mit einem Fahrzeug, das geradeaus fuhr, zusammenstieß. Der Kläger, der das geradeaus fahrende Fahrzeug lenkte, forderte Schadensersatz von der Versicherung des Beklagten, doch diese lehnte die Zahlung ab, da sie sich auf die Vorfahrtsregel „Rechts vor Links“ berief. Das Gericht sah dies jedoch anders und verurteilte den Beklagten zur vollen Haftung, da er gegen § 10 StVO verstoßen hatte, der besagt, dass beim Einfahren von einem Grundstück oder über einen abgesenkten Bordstein die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer gewährleistet sein muss.
Beweis des ersten Anscheins: Entscheidung zugunsten des Klägers
Das Landgericht Lübeck stützte sein Urteil auf den „Beweis des ersten Anscheins“, der im vorliegenden Fall klar gegen den Beklagten sprach. Der Fahrer des von rechts kommenden Fahrzeugs hätte beweisen müssen, dass es zu einem atypischen Geschehensablauf kam, um eine andere Haftungsverteilung zu erreichen. Da dies nicht gelang, sah das Gericht keine Erschütterung des ersten Anscheins und entschied, dass der Verstoß gegen § 10 StVO so schwerwiegend war, dass die Betriebsgefahr des gegnerischen Fahrzeugs dahinter zurücktrat. Damit bestätigte das Gericht, dass auch auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen die Regelungen des § 10 StVO gelten und eine strikte Haftung bei Verstößen zur Anwendung kommt.