Gesundheitswirtschaft auf dem Weg in die digitale Welt

Fellbach, 27.01.2017 – Die digitale Welt macht auch vor der Gesundheitswirtschaft nicht halt. Allerdings steckt der Fortschritt der Digitalisierung in dieser Branche im Vergleich zu anderen Wirtschaftsfeldern noch in den Kinderschuhen. Das war das Fazit des 8. Wissenschaftlichen Symposiums der SDK-Stiftung in Bad Cannstatt zum Thema „Vermessung der Gesundheit – Fluch und Segen der Digitalisierung“. Hochkarätige Wissenschaftler beleuchteten die Thematik unter verschiedenen Aspekten und stellten erste erfolgreiche Projekte vor.


Der Kuratoriumsvorsitzende der SDK-Stiftung, Klaus Henkel, ging in seiner Begrüßung auf den digitalen Wandel im vergangenen Jahrzehnt von 2007 bis 2017 ein. Denn im Jahr 2007 kam das erste iPhone auf den Markt und seitdem hat sich der Alltag und die Kommunikation durch Apps und Smartphones von Grund auf verändert. „2007 war auch das Geburtsjahr der SDK-Stiftung und daher ist es eine besondere Freude, mit dem Thema Digitalisierung in das Jubiläumsjahr zu starten“, so Henkel.


In seinen Begrüßungsworten betonte der Vorstandsvorsitzende der Süddeutschen Krankenversicherung, Dr. Ralf Kantak, dass es in der Versicherungswirtschaft noch großes Verbesserungspotenzial im Hinblick auf die Digitalisierung gebe, beispielsweise bei der Dunkelverarbeitungsquote oder der Online-Kommunikation. „Wir gewinnen als privater Krankenversicherer am Markt nicht, wenn wir nur Rechnungen prüfen und bezahlen. Unser Anspruch ist es, den Kunden als Gesundheitsspezialist sein Leben lang zu begleiten“. Das bedeute, umfassend zu beraten und so die Kunden dabei zu unterstützen, gesund zu bleiben oder möglichst schnell wieder gesund zu werden. Dazu gehöre auch die Verbesserung und Beschleunigung der Kommunikation und Datenübermittlung.


Prof. Dr. Bernd Brüggenjürgen, Lehrstuhlinhaber des SDK-Stiftungslehrstuhls und Leiter des SDK-Instituts für Gesundheitsökonomie an der Steinbeis-Hochschule in Berlin, sprach von „langsam mahlenden Mühlen im Gesundheitswesen“, wenngleich es für digitale Ansätze aufgrund vorhandener großer Datenmengen gute Voraussetzungen gebe. 75 Prozent aller Patienten in Deutschland wollten digitale Services nutzen, wenn diese eine angemessene Qualität hätten. Zugleich warnte Brüggenjürgen vor den Risiken durch Angebote ohne Kontrolle, wie beispielsweise fehlerhafte Diagnosen durch Apps.


Dr. Thilo Kaltenbach, Berater von Firmen der Gesundheitswirtschaft im In- und Ausland bei der Unternehmensberatung Roland Berger und approbierter Apotheker, ist sicher, dass „wir durch die Digitalisierung in spätestens fünf Jahren in einer anderen Welt leben“. Gerade im Bereich von e-health sehe er durch Smart- und iPhones ein enormes Wachstumspotential. Die meisten Akteure müssten noch ihre spezielle Kernkompetenz mit ihren digitalen Ambitionen verbinden. Bei allen notwendigen Digitalisierungsbestrebungen müsse jedoch stets der Kundennutzen im Vordergrund stehen.


Prof. Dr. Volker Amelung von der Medizinischen Hochschule Hannover und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Managed Care sprach den mangelnden Handlungsdruck im Gesundheitssystem an. Seit nunmehr 13 Jahren werde in Deutschland über die elektronische Gesundheitsakte diskutiert, aber noch immer sei nichts passiert. Es sei irrational, moderne Technologien nicht ausreichend zu nutzen. Für den Experten haben in dem bestehenden System viele Akteure kein Interesse, „andere an die Futtertröge zu lassen“. Als guten Ansatz betrachtet Amelung deshalb die gezielte Innovationsförderung mithilfe des Innovationsfonds und den damit verbundenen Technologieschub in Richtung Digitalisierung.


Technologische Entwicklungen wie Sensorik, Mobile, Big Data oder Cloud Technologie hätten in den letzten Jahren den Trend befördert, dass teure und zentral vorgehaltene medizinische Geräte miniaturisiert direkt vom Patienten erworben und genutzt werden können (z.B. EKG oder Blutrduckmessgerät). Diese Geräte würden dem Patienten mehr Eigenverantwortung und grössere Entscheidungsfreiheit verleihen, seine Gesundheit zu bewältigen, erläuterte Dr. Klaus Nitschke, selbstständiger Senior Advisor Digital – Investor. Der Molekularbiologe und Experte für „Digital Health“ ist sicher, dass weitere technologische Entwicklungen im Gesundheitssystem durch die zur Verfügung stehenden großen Datenmengen getrieben werden. Ziel sei es dabei, die Qualität und die Ergebnisse der Gesundheitsversorgung durch digitale Produkte/Services zu verbessern sowie die Kosten im Gesundheitssystem zu senken. Drei Gesundheitsbereiche stünden im Fokus: digitale Produkte zur Verbesserung der Vorsorge, Telemedizin für eine schnellere und zielgenauere Diagnose sowie digitale Ökosysteme zur besseren Therapie von chronischen Krankheiten. Für Nitschke sollen Unternehmen und Institutionen, die digitale Innovationen in der Gesundheitsindustrie finden, entwickeln und kommerzialisieren wollen, fünf Erfolgstreiber berücksichtigen: 1. den Aufbau eines interdisziplinäten Teams, 2. eine überlegene Methodik, mit der man Innovationen finden, Produkte bauen und Geschäfte launchen kann, 3. hohe Geschwindigkeit, 4. eine konsequente Kundenzentrierung und 5. eine unternehmerische, Kreativität fördernde Organisationsstruktur.


Über ein Leuchtturm-Projekt in der sonst noch verhältnismäßig wenig digitalisierten Gesundheitsbranche berichtete Dr. Alexander Pimperl, Leiter Business Intelligence & Finance der OptiMedis AG (Hamburg): Das regionale, sektorenübergreifende Gesundheitsnetzwerk „Gesundes Kinzigtal“, das sich modernster Technologie bedient, habe die Verbesserung des Gesundheitsstatus der regionalen Bevölkerung bei bestmöglichem Einsatz der Ressourcen zum Ziel. Eines der wesentlichen Grundprinzipien dort sei die elektronische Vernetzung aller Daten, die in die Patientenakte eingehen und auf alle beteiligten ambulanten Behandler zugreifen könnten. Die Verarbeitung und Nutzung strukturierter Daten trage u. a. dazu bei, die Versorgung zu optimieren und damit den Gesundheitsstatus der Bevölkerung zu verbessern. So konnte die regionale Managementgesellschaft bereits im achten Jahr in Folge einen positiven Deckungsbeitrag für die beteiligten Krankenkassen erzielen – im Jahr 2014 knapp 5,5 Millionen Euro brutto. Inzwischen gebe es ein weiteres umfassendes Projekt in den Hamburger Stadtteilen Billstedt und Horn. Hier gehe es um die Etablierung innovativer Versorgungsformen in sozial benachteiligten Regionen, erklärte Pimperl. Der Gesundheitswissenschaftler betonte jedoch auch, dass viele Maßnahmen aufgrund des Datenschutzes derzeit nicht umsetzbar seien. 


Quelle: PRESSEMITTEILUNG

In Kooperation mit der <br>INTER Versicherungsgruppe