Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte: „PKV-Optimierer“ scheitert am Landgericht Saarbrücken

PRESSEMITTEILUNG – 21.06.2016 – In dem zugrundeliegenden Urteil des LG Saarbrücken (Urteil vom 17.05.2016, Aktenzeichen 14 O 152/15) ging es um einen „Tarif-Optimierer“, der als Versicherungsmakler für seinen Kunden innerhalb derselben Krankenversicherung andere Tarife „recherchierte“ (Tarifoptimierung nach § 204 VVG). Dabei schloss der Dienstleister mit seinen Kunden Vergütungsabreden (sog. Tarifwechselvereinbarungen).

Der zugrunde liegende Sachverhalt:

Die Klägerin ist als Versicherungsmaklerin gem. § 34d GewO tätig und fordert mit der Klage eine noch ausstehende Vergütung von dem Beklagten. Die erbrachte Leistung bestand in einem Tarifwechsel innerhalb der privaten Krankenversicherung. Die Klägerin stützt sich dabei auf eine zwischen ihr und dem Beklagten geschlossene „Dienstleistungsvereinbarung“. Diese Tarifwechselvereinbarung hatte den folgenden Inhalt:

„… recherchiert für den Kunden bei der bestehenden Versicherungsgesellschaft nach Einsparmöglichkeiten im Bereich der Krankenversicherung. Nimmt der Kunde innerhalb der nächsten 24 Monate eine Einsparmöglichkeit in Anspruch, die durch … recherchiert wurde, so erhält die … vom Kunden die Einsparungen (alter Monatsbeitrag abzüglich neuer Monatsbeitrag) mal 10 zzgl. MwSt. Ihre Sicherheitsgarantie: Wenn Sie keine von der … recherchierte Einsparmöglichkeiten nutzen – egal aus welchen Gründen – so bleibt der Service für Sie komplett kostenlos.“

Die Klägerin ließ im Rahmen ihrer Tätigkeit dem Beklagten eine E-Mail mit Ergebnissen („Recherchen“) der Tarifanalyse zukommen. Der Beklagte wechselte daraufhin in einen günstigeren Krankenversicherungstarif innerhalb derselben privaten Krankenversicherung. Die Klägerin forderte daraufhin einen Betrag in Höhe von 5.216,72 Euro (inkl. MwSt.) von dem Beklagten. Der Betrag basiert auf der Differenz zwischen der vor und nach der Tarifänderung gezahlten Prämie, multipliziert mit dem Faktor 10 gemäß der Tarifwechselvereinbarung. Der Beklagte zahlte zunächst außergerichtlich einen Betrag und erkannte einen weiteren Betrag gerichtlich an. Lediglich über einen Restbetrag wurde weitergehend gestritten.

Der Beklagte wendete gegen die Restforderung ein, nur vier Monate von der Tarifänderung profitiert zu haben, da sich der Tarif nebst Selbstbehalt erheblich erhöht habe. Dies müsse auf das Honorar der Klägerin entsprechend Einfluss finden. Die Klägerin verfolgte mit der Klage ihren Anspruch auf den Restbetrag weiter.

Rechtliche Würdigung des Gerichts:

Das LG Saarbrücken wies die Klage als unbegründet ab. Das Gericht sah die zwischen den Parteien getroffene Tarifwechselvereinbarung als nichtig an. Dabei verstoße die Klägerin mit diesem Vertrag gegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Dieses führe zu einer Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach §134 BGB.

Keine Maklertätigkeit durch „Tarifrecherche“

Die Recherche von Einsparungsmöglichkeiten innerhalb eines bestehenden Versicherungsvertrags durch einen Versicherungsmakler stellt jedoch nach Ansicht des Landgerichts Saarbrücken keine Maklerleistung dar, sondern vielmehr eine Rechtsdienstleistung. Eine in diesem Zusammenhang stehende Vergütungsabrede kann gegen das Gebot von Treu und Glauben und das Transparenzgebot verstoßen.

„Vertragliche Vergütungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten bestehen nicht. Die von der Klägerin zur Begründung ihrer Forderung in Höhe von – ursprünglich – 5.216,72 Euro eingewandte „Dienstleistungsvereinbarung“ vom 1. August 2014, ist nach ihrem Inhalt nicht auf eine Versicherungsvermittlung, sondern auf eine Rechtsdienstleistung gerichtet und deshalb wegen Verstoßes gegen die gesetzlichen Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes nichtig (§ 134 BGB). Darüber hinaus hält die in der Vereinbarung enthaltene Vergütungsabrede als Allgemeine Geschäftsbedingung einer isolierten Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht stand.“ (aus den Entscheidungsgründen des LG Saarbrücken)

Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz

Die Klägerin als Versicherungsmaklerin führe vorliegend eine rechtliche Einzelfallprüfung in konkreten fremden Angelegenheiten durch, so dass das Rechtsdienstleistungsgesetz Anwendung finde. Auch ist vorliegend nicht das Ziel der Klägerin gewesen einen neuen Versicherungsvertrag zu vermitteln. Ein Tarifwechsel im Sinne von § 204 VVG stelle gerade keinen neuen Vertragsschluss zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer dar, denn es wird bei einem Tarifwechsel der bestehende Vertrag nur geändert. Die Klägerin sei vorliegend ohne Befugnis rechtsberatend tätig geworden, denn sie habe den Beklagten lediglich hinsichtlich „seines Rechts“ auf einen Tarifwechsel beraten. Dazu habe sie jedoch keine gesetzliche Befugnis nach § 3 RDG, was eine Nichtigkeit des Vertrages gem. § 134 BGB nach sich ziehe.

Unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers

Des Weiteren verstoße die Tarifwechselvereinbarung gegen § 307 Abs. 1 Satz1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB. Auch sei die Vereinbarung gerade nicht als Maklervertrag zu qualifizieren. Indes wurde eine erfolgsabhängige provisionsähnliche Vergütung vereinbart worden. Dies führe zu einer unangemessenen Benachteiligung des Beklagten, weshalb der Vertrag einer AGB-Kontrolle nicht standhalte.

Verstoß gegen das Transparenzgebot

Schließlich scheitere die Vereinbarung an dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, denn der von der Klägerin verwendete Begriff „Einsparungsmöglichkeit“ sei mehrdeutig zu verstehen. Unklar bleibe, ob die Klägerin sich auf Einsparungen mit einem Gesamtblick auf das zugrundeliegende Vertragswerk beziehe, also auch mögliche Selbstbehalte und den Leistungskatalog des Versicherers erfasse, oder nur isoliert die Prämienzahlung des Versicherungsnehmers meine.

Damit sei die gesamte Vereinbarung als nichtig zu betrachten, sodass das Gericht die Klage abzüglich des erledigten anerkannten Teils als unbegründet zurückwies.

(Quelle: Urteilsanmerkungen v. Dirk-Carsten Günther in FD-VersR 2016, 378954)

Was bedeutet das für die Praxis?

Bei der hier vorliegenden Tarifoptimierung durch einen Versicherungsmakler nach dem Erfolgshonorar-Modell erteilt das Landgericht dieser eine deutliche Absage und lässt nicht nur den Beratungsvorgang, sondern auch die Vereinbarung an sich scheitern. Dieses ist eine deutliche „Ansage“ des Landgerichts. Man wird abwarten müssen, ob die Klägerin in die Berufung geht, wovon jedoch auszugehen ist. So dann wird man sehen, ob die Berufungsinstanz das erstinstanzliche Urteil bestätigen wird.

Jedenfalls steht damit einmal mehr die PKV-Optimierung nach § 204 VVG auf dem Prüfstand. Auch den Versicherungsberatern ist das Erfolgshonorarmodell „entzogen“ worden. Es verbleibt einzig die Möglichkeit eine Tarifoptimierung als Versicherungsberater mit einem „normalen“ Beratungshonorar durchzuführen. Das bedeutet jedoch auch, dass der ursprünglich vermittelnde Versicherungsmakler nach Abschluss des Vertrages den eigenen Kunden nicht hinsichtlich anderer Tarife innerhalb derselben Krankenversicherung beraten darf, weil es „schon“ Rechtsberatung sei. Diese Ansicht kann man teilen, oder auch nicht. Sie stellt jedoch bisher nur eine erstinstanzliche Einschätzung dar. Die „Branche“ wird jedoch den weiteren Verlauf des Verfahrens mit Argusaugen beobachten, denn die PKV-Optimierung auf Erfolgshonorarbasis ist vielen „ein Dorn im Auge“.

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