Sprechstunde beim @AssekuranzDoc: Hat der Maklerservice Grenzen?

Viele Makler meinen es gut mit den Kunden. Umfassende Beratung, Marktanalysen und Suche nach preiswertem Versicherungsschutz Nicht selten gehört zum Service auch Rat und Hilfe in bestimmten Lebenssituationen. Passt in so ein Servicekonzept auch die Regulierung von Versicherungsschäden des Kunden durch den Makler?

Viele Makler definieren in den vertraglichen Grundlagen der Arbeit mit und für den Kunden ihren Status als „Sachwalter“ des Kunden klar und auf gesetzlicher Grundlage. Der Makler stellt sich den Aufgaben und Pflichten in Übereinstimmung mit den §§ 59 ff. VVG. Dazu gehört auch dem Kunden auf Grundlage einer hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern auszuwählen und seine Ratschläge zu unterbreiten.

Folgen wir gedanklich mal dem Fall, dass der Makler Mustermann dies auch bei einer für den Kunden notwendigen Privathaftpflichtversicherung oder Hausratversicherung so macht. Die Empfehlung für den Kunden wird aus einer Auswahl von Produkten nach Leistung, Preis, Sicherheit und nicht selten auch nach dem Kriterium der Art und Weise der Schadensabwicklung, bei den Versicherungsunternehmen getroffen.

Nach einer sorgfältigen Beratung kommt es zum Vertragsabschluss bei unserer Beispielgesellschaft APFELSINIA AG. Soweit so gut. Doch dann wird es spannend. Die APFELSINIA AG stellt unserem Makler Mustermann anheim, dass er sogenannte Kleinschäden auch gleich selbst regulieren darf. Eigentlich eine Win-Win-Situation für beide Seiten.

Kleinschäden kosten den Versicherungen mehr Geld

Es ist betriebswirtschaftlich kein Geheimnis, dass die Kosten für die Bearbeitung eins Kleinschadens sich bei den Sachversicherern kaum von denen eines Großschadens unterscheiden, wenn man einmal von zusätzlichen Kosten bei Großschäden für interne oder externe Gutachter absieht. Deshalb ist die Senkung von Schadenbearbeitungskosten seit Längerem im Fokus der Versicherer.

Besonders im Bereich der privaten Sachversicherungen ist der Kostendruck durch den intensiven Wettbewerb am Markt aber auch durch die Auflagen des Gesetzgebers enorm. Vielfältige Wege wurden dazu eingeschlagen. Das Outsourcing von eigenen Schadenregulierern, elektronische Schadenakten, neue Schadenbearbeitungssoftware und eben auch die Übertragung der Regulierung von Kleinschäden gehören dazu.

Bei den Vermittlern der Ausschließlichkeitsorganisationen wird das Instrument der Kleinschadenregulierung bereits viele Jahre in größerem Maßstab angewendet. Besonders Agenturen im höheren Status bekommen die Legitimation zur Schadenregulierung nicht nur wegen der Verlagerung vom Schadeninnendienst auf dem Außendienst sondern auch als gerne ge- oder missbrauchtes Instrument im Kundenservice.

Waren Vollmachten zur Schadenregulierung bei Maklern früher eher eine Würdigung von freien Vermittlern mit großen Beständen so finden sich diese Vollmachten inzwischen auch bei mehr und mehr Maklern mit eher kleinen Beständen bei den Versicherern.

Verlockungen für den Makler durch Regulierungsvollmacht

Die Versicherer machen den Maklern die Regulierung von Kleinschäden schon clever schmackhaft. Wer würde bei Überschriften wie „Schnelle Abwicklung – schnelle Leistung!“ für seine Kunden, von deren Zufriedenheit der Makler lebt, nein sagen?

Schauen wir uns ein Anschreiben eines Versicherers (liegt dem Autor vor) zur Entschädigung für Kleinschäden durch einen Makler einmal näher an:

„Mit dieser Maßnahme wird nicht nur der Prozess der Schadenbearbeitung für Kleinschäden weiter vereinfacht – wir sehen darin auch Instrument für Ihre Kundenansprache und -bindung, weil Sie im Fall eines Schadens dessen Erledigung schnell und unbürokratisch unterstützen können.“

Die damit verbundenen Vorteile für beide Seiten scheinen offensichtlich. Der Versicherer schafft sich die Kleinschäden vom Tisch und spart durch die Verlagerung der Regulierung Kosten. Man nennt dies positiv gefärbt „Vereinfachung“.

Gleichzeitig wird aber unter dem Mäntelchen der „Kundenansprache“ Einfluss auf den Makler genommen. Denn wenn er seinen Kunden diesen Service bieten will, dann muss er schon die Produkte genau dieses Versicherers anbieten. Und es wäre dann eigentlich auch dumm vom Makler, wenn er bei geänderter Marktsituation nicht mehr für diesen Versicherer vermitteln würde.

Die schon bestehende Grenzwertigkeit dieser Vorteile wird dann noch verstärkt, wenn der Makler in Versuchung gebracht wird, bei der Schadenregulierung für seine Kunden nicht so genau hinschauen zu müssen. Oder wie anders sind folgende Nutzenargumente für den Makler zu verstehen:

  • Entschädigungsleistungen bis … EUR selbst festlegen
  • Einfaches Ausfüllen – nur wenige Angaben erforderlich
  • Zahlungsweise bereits am selben Tag

Thema Versicherungsbetrug durch Kunden und Vermittler

Die Versicherungsbranche beklagt in regelmäßigen Abständen die Höhe der vermuteten Betrugsfälle bei angezeigten Versicherungsschäden. Der GDV geht von einem jährlichen Gesamtschaden von vier Milliarden Euro aus. Oft sind es gerade die eher kleinen und unscheinbaren Fälle des Alltages im Bereich der Haftpflicht- und Hausratversicherung

Keine Schicht der Bevölkerung ist nach den Erfahrungen der Versicherer frei von der Versuchung. Nach statistischen Erhebungen ist in etwa davon auszugehen, dass jeder zehnte Fall frei erfunden oder manipuliert wurde. Das zeigt, die Mehrzahl der Kunden ist ehrlich.

Es gibt aber eben auch nicht wenig schwarze Schafe, die aus Versicherungspolicen den Anspruch ableiten, sich vom eingezahlten Beitrag hin und wieder etwas zurückholen zu dürfen. Favoriten für solche Fälle sind manipulierte Smartphoneschäden, kaputte Brillen oder Schäden an Gegenständen des Hausrates.

Und in diese Situation kommen jetzt gebundene oder freie Vermittler mit Regulierungsvollmacht. Der Kunde beklagt gegenüber dem Vermittler ein kaputtes TV-Gerät. Die Ursache ist eigentlich unklar. Häufig ist es nur das technische Versagen eines eher in die Jahre gekommenen Gerätes. Aber die Frage des Kunden „kann man denn da nichts machen“ löst oft Reflexe aus.

Es beginnt schon beim einen oder andern Handwerker und Techniker. Teils ohne weiter zu fragen, wird sofort das Angebot gemacht, aus dem Schaden einen Versicherungsschaden zu machen. Am Beispiel des TV-Gerätes wird von Servicetechnikern oder zum Verkauf eines neuen Gerätes bereitstehenden Händlern von TV-Geräten gerne ein Überspannungsschaden „empfohlen“.

Auch bei einigen Vermittlern setzt in solchen Schadenfällen Kreativität ein und dem Kunden wird die unkomplizierte Regulierung des Schadenfalles versprochen. Dabei wird die Rechnung oft ohne die Versicherung gemacht, die leicht feststellen kann, ob einer solcher Schaden oder auch die Ursache für einen Überspannungsschaden überhaupt vorgelegen haben kann.

Besonderen Status als Versicherungsmakler beachten

Betrug kann sowohl für die Kunden als auch für die regulierenden Vermittler Folgen haben. Zu den Konsequenzen für die Kunden können der Entzug des Versicherungsschutzes und strafrechtliche Verfolgung gehören. Für Vermittler kann dazu auch noch die Aufhebung der Berechtigung zur Vermittlung von Versicherungen kommen.

Für wesentlicher erachte ich aber den Zwiespalt zwischen dem Status des Maklers als Sachwalter des Kunden und seine Tätigkeit für den Versicherer als Schadenregulierer. Der Makler steht gerade nicht im juristischen Lager des Versicherers und sollte deshalb den Versicherer auch seine Arbeit selbst machen lassen.

Der Gesetzgeber sieht den Makler als treuhänderähnlichen Sachwalter der Interessen der Kunden an und steht auf dessen Seite. Im Rahmen der Betreuung und Verwaltung der Versicherungsverträge sollte der Makler seine Kunden auch bei Schadenfällen unterstützen. Recht- zeitige und sachgemäße Meldung von Schäden durch den Kunden gehört somit durchaus zu den Aufgaben eines Maklers.

Gerade mit dem korrekten und vollständigen Ausfüllen von Schadenformularen tun sich Kunden oft schwer. Unterstützung der Vermittler ist dann sinnvoll und richtig. Zu weit geht es aber, wenn den Kunden Freigaben zu Reparaturen oder Neuanschaffungen ohne Rücksprachen mit der Versicherungen durch Makler gegeben werden.

Die Erfahrungen mit einigen speziellen Vertretern der Vermittlerschaft in der Praxis zeigen dann, dass mit allen Mitteln falsche Versprechungen gegenüber den Versicherern durchgesetzt werden sollen. Es finden sich dabei immer wieder auch Fälle von Erpressungen der Versicherer mit weniger Umsatz oder Drohungen mit Medien.

Fazit

Alle Bemühungen der Versicherer und ihren Vermittlern Versicherungsschäden bei den Kunden zügig und sachgerecht zu regulieren sind begrüßenswert. Lange Wartezeiten zu Prüfung und Erstattung von vertraglich vereinbarten Versicherungsleistungen schaffen Unzufriedenheit bei den Kunden und schaden der Branche als Ganzes.

Rationalisierungseffekte durch Outsourcing von Dienstleistungen bei den Versicherern selbst sind betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Nur selten werden diese eingeleiteten Maßnahmen aber nach einiger Zeit hinsichtlich der Wirksamkeit hinterfragt. Der Ersatz von aufgelösten Gutachterabteilungen der Versicherer durch freie Vermittler sei unter einer Kostenbetrachtung „vorher – nachher“ nur ein Beispiel dafür.

Die Einbeziehung der eigenen Ausschließlichkeitsorganisation in die Regulierung von Kleinschäden bei einigen Versicherern mag hinsichtlich dessen Status gegenüber dem Kunden noch angehen. Die Dunkelziffer der Gefälligkeitsregulierungen in diesem Bereich bleibt aber ein Thema, was kaum selbstkritisch behandelt wir. Es ist und bleibt nicht korrekt.

Die „Verführung“ von freien und nur dem Kunden verpflichteten Maklern zu einer verlängerten Werkbank der Versicherer durch die Vergabe von Regulierungsvollmachten – und sei es nur für Kleinschäden – mag zwar zur Entlastung von Schadenabteilungen bei der Versichern führen, ist aber angesichts den damit verbundenen Beeinflussungen des Maklers kritisch zu sehen.

In anderem Zusammenhang wird im gerade von den Versicherern stark strapazierten GDV-Kodex für den Vertrieb hervorgehoben:

„Es ist… darauf zu achten, dass solche Vereinbarungen die Unabhängigkeit des Maklers und das Kundeninteresse nicht beeinträchtigen.“

Dann sollten die Versicherer dies auch tun – meint

Ihr AssekuranzDoc

 


Dr. Peter Schmidt AssekuranzDocExperte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.

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