Sprechstunde beim @AssekuranzDoc: Aus „alt“ macht „neu“ – und die Versicherung zahlt

Der geschätzte Schaden aus Versicherungsbetrug liegt in Deutschland bei vier Milliarden Euro. Bei Schäden an TV-Geräten mit Flachbildschirm ist jeder vierte Fall nicht plausibel. Jeder Fünfte Versicherungsnehmer sieht diese Art des Betruges als Kavaliersdelikt an. Das ist Anlass für diese Kolumne das Thema etwas genauer zu betrachten.

Es geht durch alle Schichten der Gesellschaft. Versicherungsbetrug sehen Kunden und manche Vermittler von Versicherungen als Kavaliersdelikt an. Oder noch schlimmer, man sieht sich im Recht auch einen Schaden ersetzt zu bekommen, der nicht versichert ist. Man habe ja schließlich Beiträge für die Versicherung bezahlt.

Versicherungsbetrug ist strafbar

Zu den spektakulärsten Fällen des Versicherungsbetruges gehörte der Fall des ehemaligen Bundesligaspielers Gaudino, der 1994 nach einer Talkshow im Fernsehstudio festgenommen wurde. Der Vorwurf: Versicherungsbetrug, Vortäuschen von Straftaten und Hehlerei. Das Amtsgericht Mannheim verurteilte Gaudino zu zwei Jahren und vier Monaten auf Bewährung.

Doch nicht immer sind es die Versicherungskunden selbst, die auf die Idee kommen selbstverursachte Schäden oder Schäden aus einfachem Verschleiß durch die Versicherung regulieren zu lassen. So können Versicherer von zahlreichen Beispielen berichten, dass schwarze Schafe unter Handwerkern oder auch Vermittlern den Tipp zum Verlassen der Wahrheit geben.

Ein Spezialversicherer für Photovoltaikanlagen kann ein Buch darüber schreiben, wie mit allen möglichen Methoden versucht wird, den Ausfall von in die Jahre gekommenen Wechselrichtern zu einem Versicherungsfall zu machen. Dafür werden beispielsweise Blitzschläge erfunden, die den Schaden verursacht haben sollen.

Versicherer können aber die Glaubwürdigkeit solcher Schäden leicht prüfen. Verschiedene Blitzinformationsdienste geben Auskunft darüber, ob es an einem bestimmten Tag in der betreffenden Region ein Gewitter gab. Das geht so genau, dass festgestellt werden kann, ob es überhaupt möglich ist, dass ein Überspannungsschaden durch einen Blitzeinschlag beispielsweise 1.000 Metern vom Schadensort einen Überspannungsschaden verursachen konnte.

Ebenfalls „beliebt“ ist auch die Methode die beschädigten Sachen wie Wechselrichter einfach verschwinden zu lassen. Doch hier irren die Kunden und deren Serviceleister gewaltig, wenn man dann davon ausgeht, dass die Versicherung kommentarlos reguliert. Denn der Kunde hat auch Pflichten bei Schadenereignissen.

Kundenpflichten zum Schadennachweis

Grundsätzlich gehen Versicherer und Kunden vom gegenseitigen Vertrauen aus. Für die meisten Kunden ist es gar kein Problem wenn der Versicherer nach der ersten Schadenaufnahme darauf hinweist, dass die beschädigten Sachen zu einer Begutachtung aufbewahrt werden oder auch zur Einsendung angefordert werden.

Es gehört zu den Pflichten des Kunden den Schaden auch nachzuweisen. In einem Interview mit der Online-Plattform des GDV erklärt der Schadenspezialist eines Versicherers die Pflichten der Kunden wie folgt:

„Er muss nachweisen, wie und wann der Schaden entstanden ist. Er ist zudem verpflichtet, dem Versicherer das beschädigte Gerät zur Verfügung zu stellen, damit dieser prüfen kann, ob der Anspruch berechtigt ist. Der einfachste Weg ist natürlich, durch einen vom Versicherer beauftragten Sachverständigen am Gerät selbst überprüfen zu lassen, ob der Schaden durch eine Blitzüberspannung entstanden ist.“

Manche Kunden und Versicherungsvermittler erweisen sich allerdings sehr ideenreich, wenn es um die geforderten Nachweise zum Schadenereignis oder zu den entstandenen Kosten geht. Gefälschte Rechnungen oder falsche Angaben zum Schadenergebnis gehören leider auch zur Praxis der Schadenregulierung. Davon können vor allem Haftpflichtversicherer ein Lied singen. Doch die Sachverständigen und Mitarbeiter der Schadensabteilungen sind erfahren und erkennen fehlende Plausibilitäten sehr schnell.

Spitzendisziplin in der Betrugsolympiade – Haftpflichtfälle

Es scheint die führende Disziplin bei Versicherungsbetrugsfällen zu sein: Manipulierte Schäden, die von den Haftpflichtversicherungen ungerechtfertigt gezahlt werden sollen. Die Dimension wird deutlich, schaut man sich die Anzahl der verschiedenen Haftpflichtschäden einmal an. Den Versicherern werden pro Jahr 200.000 Brillenschäden und 100.000 Schäden durch Hunde angezeigt.

Besonders bei Brillen, oft auch einem stark durch die Mode geprägten Artikel, scheint die Versuchung zum Versicherungsbetrug hoch zu sein. Aber auch bei Schäden durch Hunde kennt die Phantasie keine Grenzen. Als der Hund einer Kundin die Hose eines Passanten etwas zu lecker fand und der Geschädigte Anspruch auf Schadenersatz stellte wurde die Besitzerin des Hundes „kreativ“.

Schnell war eine Hundehalterhaftpflichtversicherung bei einem Online-Anbieter abgeschlossen. Die Kundin übersah, dass die Haftpflichtversicherung für den Hund aber erst am Tag nach dem Abschluss begann. Es war für den Schadenbearbeiter damit ein Leichtes die Angaben des Geschädigten zum Schadendatum mit dem Datum des Versicherungsabschlusses anzugleichen.

Regelrecht makaber wird es aber, wenn sich in solchen Fällen noch die Vermittler mit falsch verstandenem „Kundenservice“ einschalten. Dabei wird es teilweise richtig grenzwertig. Bedrohungen der Versicherungsmitarbeiter oder der Versicherer selbst sind nicht selten.

Aufklärung der Kunden durch Makler und Versicherer

Die meisten Versicherungsvermittler sehen es als wichtige Serviceleistung an die Kunden bei entstandenen Schadenfällen kompetent und solide zu unterstützen. Dafür haben nicht wenige Makler und fast alle Versicherer eine eigene Schadenhotline oder bieten den Kunden auf der Homepage Formulare zur Meldung von Schadenfällen an.

Ganze „Leitfäden zur Schadenregulierung“, wie zum Beispiel vom Markteinsteiger Oberösterreichischen Versicherung zeigen transparent welche Informationen der Kunde im Schadensfall übermitteln muss, wie die Schadenregulierung genau erfolgt und welche schadenspezifischen Details zu beachten sind. Auch ein Blick auf die mit dem Schaden zusammenhängenden Obliegenheiten nach §28 Absatz 4 des VVG ist sinnvoll.

Zeitgemäß geht das aber auch mit informativen Videos zum Thema „Schadenfälle“, wie Finanz- und Versicherungsberater Wolfgang Ruch mit einer neuen Ausgabe seiner „Mr.MoneyPenny“ – Clips  zeigt. Ruch beschreibt sein Anliegen so:

„Ich (möchte) über 2 Schadensfälle der Vergangenheit sprechen, die einmal ganz praktisch zeigen sollen, wie sich die verschiedenen Versicherungsbedingungen auf die Entschädigung auswirken und warum eine Versicherung sinnvoll sein kann. Vor allem aber möchte ich aufzeigen, dass man bereits heute, wenn noch alles O.K. ist, die Vorbereitungen für die Diskussion mit der Versicherung nach dem Schadensfall durchführen sollten. Dann klappt es auch mit der Entschädigung!“

Ein gutes Beispiel wie ein Makler seine Pflichten zur Information und Beratung seiner Kunden schon vor einem Schadenfall entsprechend ernst nimmt. Dementsprechend sind auch die Erwartungen der Vermittler an die Schnelligkeit, Transparenz und Kundenfreundlichkeit der Versicherer bei der Schadenregulierung. Nicht zuletzt scheint der Gesetzgeber in Sachen Datenschutz gefordert.

Keine Bearbeitung von Schäden per Mail?

Immer wieder beschweren sich Vermittler darüber, dass die üblichen Formen der elektronischen Kommunikation bei Leistungs- und Schadenbearbeitungen unterschiedlich gehandhabt werden. Auf der einen Seite gibt es Versicherer, die Schadenmeldungen oder Anträge auf Leistungserstattung per App ermöglichen. Dabei werden Fotos per App ebenso anerkannt wie eine Einbeziehung der Schadenmeldung per Ortungssystem über das Smartphone.

Auf der anderen Seite lehnen einzelne Versicherer Schadens- oder Änderungsmeldungen per Mail durch Kunden oder Vermittler mit Hinweis auf den Verhaltenskodex oder das BDSG ab. Diese „Arbeitsanweisungen“ finden vor allem bei Maklern nur wenig Verständnis. Hier gibt es Handlungsbedarf auch Verbandsebene der Versicherer.

 Fazit:

Haftpflicht- und Sachversicherungen sollen Kunden vor den finanziellen Risiken von Schäden bewahren. Dafür ist passender Versicherungsschutz und die rechtzeitige Aufklärung notwendig, was zu tun ist, wenn ein Schadenfall eingetreten ist.

Kunden und Vermittler erwarten aber zu Recht, dass Versicherer Betrugsversuche abwehren, die zu Lasten der gesamten Versichertengemeinschaft gehen. Maßnahmen der Versicherer zur Schadenaufklärung sollten deshalb nicht per se als Kundenunfreundlichkeit abgeurteilt werden, denn Versicherungsbetrug sollte im Interesse aller Kunden aufgeklärt und effektiv bekämpft werden.

Leistungserstattungen und Schadenregulierungen sollten durch den Gesetzgeber und die Versicherer auf die modernen Formen der Kommunikation angepasst werden. Erste Beispiele der Leistungskommunikation zwischen Versicherer und Kunden per App weißen hier den richtigen Weg.

Versicherungsbetrug in allen Sparten ist kein Kavaliersdelikt und ist strafbar. Und so mancher der hier geschilderten Fälle der Aufklärung von Betrug sollte eine abschreckende Wirkung haben – meint Ihr Assekuranzdoc


Dr. Peter Schmidt AssekuranzDocExperte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.

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