Große Teile der Versicherungsbranche glänzen nicht mit Innovationen. Mangelnde Ressourcen, fehlende Standards und mangelnde Kooperation gehören zu den Ursachen. Häufig ersetzt Aktionismus einen kontinuierlichen Innovationsprozess. Warum das so ist, wurde an dieser Stelle in der vergangenen Woche begonnen aufzuklären.
In der vergangenen Woche wurden fehlende Strukturen für den Innovationsprozess sowie mangelnde Entscheidungsfreudigkeit als die ersten „Bremsklötze“ für Innovationen bei Versicherern aber auch bei Vermittlern aufgezeigt.
Bremsklotz 3 – Überzogenes Controlling statt Gestaltung
Als Planer, Gestalter und Verantwortlicher für Innovationsprojekte kann man ein Lied davon singen, wie überzogene Kontrolle (Controlling) die Freude an der Innovation „töten“ kann. Kreativität braucht Raum und Zeit. Zwangsverpflichtete Mitarbeiter, die in Projektteams mitarbeiten müssen und eventuell sogar noch den eigenen Arbeitsplatz wegrationalisieren sollen, werden in jeglicher Kreativität eingeschränkt.
Verschiedene Wissenschaftler haben bereits vor Jahren deutlich gemacht, dass die intrinsische Motivation, also eine Motivation, die aus dem inneren des Menschen selbst kommt, eine wichtige Voraussetzung für Kreativität ist. Was verbirgt sich dahinter?
Mitarbeiter suchen sich Innovationsprojekte selbst aus, bei denen sie mitarbeiten. Dann arbeiten sie mit mehr Freude, selbständiger und vor allem ideenreicher. Blockaden im Kopf aus extrinsischer Motivation (also von außen erzeugter Motivation) durch „das muss ich tun“, „dies und jenes darf ich nicht tun“ oder „welche Folgen hat meine Idee für meinen Arbeitsplatz“ sind dabei oft kontraproduktiv.
Der Einzelunternehmer wird seine Art des Controllings selbst gestalten oder auch auf überbordendes Controlling verzichten. Allerdings ist davor zu warnen auf Kontrollmethoden völlig zu verzichten. Die Planung von Zielen und zu erreichenden Zwischenergebnissen sowie die Einschätzung der vorhandenen Ressourcen an Arbeitszeit und Geld gehören nach meiner Erfahrung einfach zur Umsetzung von Innovationen dazu. Außerdem sollte man sich umhören, welcher Kollege die Neuerungen schon umgesetzt hat, um Fehler zu vermeiden und die Innovation schneller umzusetzen.
Bremsklotz 4 – Angst vor Fehlern
Das Streben nach Perfektion ist ein Zeichen der Qualität in Deutschland. Damit ist aber auch ein Stück der Kreativität des „Probierens“ verloren gegangen. Und nicht nur das. Die Angst, Fehler zu machen, wird als Makel der eigenen Führungstätigkeit angesehen.
„Wer etwas probiert, kann verlieren.
Wer nichts probiert, hat schon verloren.“
Auch bei perfekter Planung, umfassenden Vorstudien und Erfahrungs-berichten wird es keine Innovationen mit 100%-Garantie nicht geben. Nehmen wir als Beispiel die Ansätze für mehr Effektivität in der Büroorganisation durch Strichcodes.
Bei vielen Unternehmen wurden Versicherungsanträge mit diesen Aufklebern versehen und die Produktivität der Verarbeitung stieg enorm.cInzwischen sind Strichcodes in der Abwicklung von Versicherungsanträgen tendenziell eher wieder auf dem Rückzug, weil moderne Scann- und Texterkennungsverfahren den Umweg über dieses Hilfsmittel nicht mehr brauchen. War die Einführung von Strichcodes aus heutiger Sicht ein Fehler?
Unternehmerische Entscheidungen zur Risikovermeidung sind richtig. Aber übertriebene Angst vor Erneuerungen ist viel schlimmer. Geschäftsführungen, die sich dauerhaft gegen Erneuerungen wehren, führen ihr Unternehmen durch mangelnde Innovationsfreude früher oder später ebenso in den Abgrund. Und nicht zu vergessen, dass extrem ausgeprägte Risikobetrachtungen auch die Ideen einschränken, die dem Unternehmen die Zukunft sichern können.
Bremsklotz 5 – Die Anderen werden es schon richten
So wie manche Versicherer auf die Auflagen des GDV oder des BaFin warten so geht es den Einzelunternehmern und Mittelständlern auch. Es wird auf Impulse von außen gewartet, erst dann wird gehandelt.
Die Forderungen von Solcency II mögen beispielsweise im Detail überzogen sein, haben aber einigen Versicherern auch erst gezeigt, wie mangelhaft die eigenen Managementprozesse aufgestellt sind. Auch das Thema Compliance hat zu einer Bereinigung mancher Unternehmenskultur und zu einer Rückbesinnung auf klassische kaufmännische Tugenden geführt.
Selbst Initiativen zu entwickeln und selbst neue Standards zu setzen scheint oftmals nicht mehr zu den ausgeprägten Unternehmertugenden zu gehören. Was aber für einen Einzelunternehmer eine Überforderung ist sollte zumindest für die größeren Versicherer ein Ansporn sein.
Ideen zu entwickeln, die Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern bringen, gehört dazu. Doch genau daran mangelt es bei über der Hälfte der deutschen Versicherer, wie Mark Spears, Leiter Insurance International der KPMG, London, kürzlich berichtete. Innovationsstrategien sind bei jedem zweiten Versicherer eine Fehlanzeige. Lautet Capital-Online werden
bei vielen Versicherern sogar die „Innovationen getötet“.
Nach meinen Erfahrungen ist dies bei Firmen von freien Vermittlern noch viel ausgeprägter. Hier mangelt es nicht nur an einer Unternehmens-strategie sondern auch an geplanten Maßnahmen zur ständigen Erneuerung der technischen Basis und damit an der kontinuierlichen Arbeit an einer höheren Produktivität.
Fazit
Kleine, mittlere und große Marktteilnehmern der Versicherungsbranche erkennen die Notwendigkeit von Innovationen in den Bereichen Informationstechnologien und der Neugestaltung von Prozessen im Be- und Vertrieb. Aber Innovationen per Aktionismus führen nicht zu einem notwendigen und kontinuierlichem Erneuerungsprozess.
Wenn man sich beispielsweise auf die Online-Kunden besser einstellen will, dann muss man sich vor der Intensivierung von Onlineportalen auch mit der Frage beschäftigen, wie man seine bisherigen Vertriebswege mit in das gesamte Beratungskonzept einbindet.
Sowohl bei Versicherern als auch bei freien Vermittlern gilt es über den eigenen Schatten zu springen und im Angesicht von knappen Ressourcen den Erneuerungsprozess auch über Kooperationen aktiv zu gestalten.
Den Interessenverbänden der Branche im Allgemeinen und der freien Vermittler im Besonderen ist anzuraten, sich auch in der Frage der Umsetzung von Innovationen stärker für ihre Mitglieder zu engagieren. Beratungsangebot zu strategischen und unternehmerischen Fragen sollte jetzt angegangen werden, bevor die Anzahl der Vermittler weiter schrumpft.
Übrigens: Wann haben Sie als Makler Ihre letzte Einladung zu einem Workshop Ihres Maklerverbandes zur Vorstellung von Innovationen erhalten?
fragt Ihr AssekuranzDoc.
Dr. Peter Schmidt Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.