Wirth-Rechtsanwälte: Mit 56 in die private Krankenversicherung?

PRESSEMITTEILUNG – Wirth-Rechtsanwälte – Empfiehlt ein Versicherungsvertreter einem gesetzlich Krankenversicherten den Wechsel in eine private Krankenversicherung besteht eine intensive Beratungs- und Dokumentationspflicht. Fehler hierbei führen zur Umkehr der Beweislast und zu Schadenersatz.

Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einem von Wirth-Rechtsanwälte erstrittenen Urteil (vom 24.06.2015, Geschäftszeichen I-20 U 116/13, nicht rechtskräftig) fest.

Was war geschehen?

Der damals 56jährige Kläger wandte sich 2008 an seine örtliche Sparkasse, weil er über die Verbesserung seiner Altersvorsorge beraten werden wollte. Dabei zeigte er auch Interesse für eine Zusatzversicherung zur seiner gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Er war vorher Zeit seines Lebens gesetzlich krankenversichert. Nach mehrjähriger Arbeitslosigkeit hatte er nun eine freiberufliche Tätigkeit als gesetzlicher Betreuer aufgenommen und nur eine recht geringe staatliche Rente zu erwarten. Gleichwohl empfahl ihm die Mitarbeiterin der Sparkasse den Abschluss einer privaten Krankenversicherung (PKV). Dabei klärte sie nicht über die wesentlichen Nachteile dieses Wechsels für den Kunden auf. Diese waren unter anderem:

• PKV-Beiträge sind im Gegensatz zu GKV-Beiträgen einkommensunabhängig

• wegen fehlender Altersrückstellungen bestand die ernsthafte Gefahr deutlicher Beitragssteigerung im Alter

Das stellte auch der Kläger einige Jahre später fest und verlangt daher Schadenersatz. Eine Rückkehr in die GKV war ihm nicht mehr möglich. PKV und Sparkasse weigerten sich jedoch Schadenersatz zu leisten, so dass der Kläger vor Gericht zog.

Aufgrund des Urteils des OLG Hamm steht nun fest, dass beide (Sparkasse und PKV) gemeinsam den Kläger so zu stellen haben, als wäre er in der GKV geblieben. Das wirkt sich für den Kläger vor allen Dingen bei Beginn seiner Rente aus, weil der Beitrag nun einkommensabhängig berechnet werden muss und sich dann deutlich verringert.

Das Urteil ist aus mehreren Gründen relevant und wegweisend:

Es bestätigt die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (Urteil vom 13.11.2014, III ZR 544/13), wonach es bei mangelhafter, gesetzlich vorgeschriebener Dokumentation zu einer Umkehr der Beweislast kommt. Zwar trägt die Beweislast für die Verletzung der Beratungspflichten grundsätzlich derjenige, der sich auf eine solche Beratungspflichtverletzung beruft, hier also der Kläger. Bei nicht ordnungsgemäßer Dokumentation kann sich die Beweislast aber umkehren, so dass dem Versicherer bzw. seinem Vertreter die Beweislast für eine ordnungsgemäße Beratung zukommt – so die Gerichte. Der Beratungsdokumentation soll der wesentliche Gesprächs- und Beratungsinhalt entnommen werden können. Im vorliegenden Fall war dies auf eklatante Weise nicht der Fall (Zitat Urteil: „nicht einmal im Ansatz“).

Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing, LL.M., Wirth-Rechtsanwälte, welcher für den Kunden das Urteil erkämpft hat, äußert ergänzend: „Das Urteil zeigt auch die Risiken auf, denen sich private Versicherungsgesellschaften teilweise aussetzen. Nämlich, wenn sie sich für den Vertrieb ihrer Versicherungsprodukte großer, eher ungeschulter Organisationsformen als gebundene Vertreter bedienen. Das sind oft mangelhafte Strukturen, bis hin zur nicht vorhandenen Qualifikation. Egal, ob es – wie hier – eine Sparkasse ist, oder anderweitig vielleicht gesetzliche Krankenversicherungen oder Handelsriesen. Die Fehler im Gespräch mit dem Kunden muss sich dann auch die private Versicherungsgesellschaft zurechnen lassen.“

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