Sprechstunde beim @AssekuranzDoc: Die Stunde der Vertriebsgesellschaften?

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Die Allianz ging voran, Ergo und Generali folgten. Mehrere Vertriebswege kommen unter einen Dach. Chancen und Risiken der neuen Vertriebsgesellschaften lohnen einen Blick hinter die Kulissen.

Die Allianz Beratungs- und Vertriebsgesellschaft (ABV) des Marktführers ist inzwischen schon neun Jahre alt. Mit der Gründung der ABV vollzog man die Integration alle Vertriebsorganisationen der einzelnen Allianz Gesellschaften mit Ausnahme des Industriegeschäfts. Dazu gehörten die Vertriebe der ehemaligen Frankfurter Allianz, der Allianz Kranken sowie des Bankenvertriebes mit dem Ziel der Konzentration und Kostensenkung. Hierarchien wurden „gestrafft“ und Aufwände gesenkt.

Zahlreiche regionale Bezirksdirektionen von Spartengesellschaften wurden geschlossen beziehungsweise mit denen der eigenen Ausschließlichkeitsorganisation zusammengelegt. Dafür gab es von den betroffenen Mitarbeitern die freigesetzt oder anderweitig versetzt wurden wenig Beifall. Die regionale Präsenz sowie frühere Zielgruppenspezialisierungen und damit Kundennähe nahm ab.

Heute wird dennoch mancher Kritiker eine differenziertere Sicht auf den Veränderungsprozess haben. Die Startschwierigkeiten sind vergessen und alle partizipieren von den gesunkenen Vertriebskosten. Die Marktposition wurde in einem stagnierenden Markt in vielen Segmenten gesichert. Interessant für den Betrachter ist, dass schon mit der Gründung der ABV die Maklerorganisationen nicht integriert wurden. Man trug den spezifischen Bedürfnissen der freien Vermittler Rechnung und bestellte dann Ende vergangenen Jahres folgerichtig den ersten Vorstand für den Maklervertrieb der Allianz Leben- und Krankenversicherungs AG.

Hamburg-Mannheimer, Victoria & Co. unter einem Dach

Zweifellos eine ambitionierte Aufgabe für den Ergo-Konzern war die Integration der traditionsreichen Vertriebsorganisationen und Marken unter einem Dach. Während die Marken Hamburg-Mannheimer und Victoria verschwanden stehen die DKV für Kranken, D.A.S. für Rechtsschutz und ERV für Reiseversicherungen. Mit der neuen ganzheitlichen Vertriebsorganisationen der früher selbständigen Gesellschaften ist dies seit 1. April 2014 nun anders.

„Über 10.000 hauptberufliche Vertreter wechseln von den operativen Versicherungsgesellschaften in die ERGO Beratung und Vertrieb AG.Bislang fünf Ausschließlichkeitsorganisationen der ERGO sind dann zu zwei homogenen Organisationen zusammen geführt“, wie es in einer Presseerklärung von Ergo heißt.

Ergo verfolgt damit nicht nur das Ziel von Effizienzgewinnen durch einheitliche technische Plattformen sondern auch mehr Kundennähe. Die Bemühungen um mehr Transparenz und ein verständliches und kundenfreundliches Wording gingen bekanntlich im Sumpf der „Altlasten“ vom übernommenen Strukturvertrieb HMI zunächst unter.

Neben den „Reparaturarbeiten“ am Image durch eine konsequente Aufarbeitung wurde die Vorbereitung der neuen Vertriebsstrukturen vorangetrieben. Die nicht konfliktfreie personelle Neuordung sowie die Zusammenführung der „Altsystem“ dürfte eine enorme Herausforderung gewesen sein.

Besonders wichtig ist dem in seinem Image angeschlagene Konzern Kundennähe und Vertrauen zu festigen, die eigenen Vertriebe zu stärken und die rückwärtsgewandten Kritiken vergessen zu machen.
Dr. Rolf Wiswesser neuer Chef der Ergo Beratung und Vertrieb AG (EBV) formuliert den Anspruch so: „Ein wettbewerbsfähiger Vertrieb erfordert mehr denn je moderne Infrastruktur und effektive Betreuungsstrukturen. Dies sichert die Qualität der Kundenberatung und die Zukunft unserer Vertriebspartner“.

Gespannt darf man sein, wie sich in der EBV der Maklervertrieb behaupten kann. Gerade bei den freien Vermittlern gab es in den letzten Monat starke Kritik am Workflow bei Ergo von den leidigen Diskussionen um die Compliance-Themen einmal ganz abgesehen. Stephan Schinnenburg, jetzt Leiter des Maklervertriebes in der EBV, muss sich zweifellos an einem „dicken Brett“ beweisen, was es nun zu Bohren gilt.

Angestellte und freiberufliche Vermittler bei Generali jetzt gemeinsam

Mit der Generali hat ein weiterer Vertreter der großen Versicherer eine neue Runde der Umstrukturierung eingeläutet. Noch ist nicht klar, wie viele Mitarbeiter diesen Weg mitgehen können. Klar ist aber, dass die Marke Volksfürsorge nun endgültig stirbt. Die Zukunft von rund 3.000 Volks-fürsorge – Mitarbeiter scheint unklar. „Zum Personalabbau können wir derzeit noch keine Angaben machen“, zitierte das Versicherungsmagazin den für externe Kommunikation zuständige Pressesprecher Dirk Brandt.

Besondere Brisanz ergibt sich bei diesem Versicherer dadurch, dass Generali und Volksfürsorge mit unterschiedlichen Vermittler“typen“ zusammenarbeiten. Die Volksfürsorge bringt viele angestellte Versicherungsvermittler und die Generali selbständige §84er Handelsvertreter in die neuen Strukturen ein.

„Die neue Vertriebsgesellschaft, unter der Marke Generali, wird nach Mitteilung des Unternehmens auch unabhängigen Vertriebe unter einem einheitlichen Dach vereinen. Immerhin soll die „regionale Präsenz“ der Generali-Vertriebe weiter ausgebaut werden.“

Zukunft bei den Vertriebsgesellschaften eingebaut?

Alle drei „Big Player“ haben sich auf den Weg gemacht, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Integration von zugekauften Tochtergesellschaften, einheitliche technische Plattformen und Stärkung der Position des Vertriebes bei der Produktentwicklung sind Aufgaben, die man in sich verändernden Rahmenbedingungen nicht negieren kann.

Wie man mehr Kundennähe durch reduzierte regionale Präsenz erzielen kann bleibt dabei ebenso im Nebulösen wie der Druck durch Kunden in Richtung Direktvertrieb. Große Bestände bei Kunden sind unbetreut und verlangen geradezu nach neuen Lösungen für eine regelmäßige Kontaktnahme der Vermittler mit den Kunden sowie adäquante Konzepte zu einem kundennahem Cross Selling. Im Internetverkauf und im Direktvertrieb scheint der Ergo-Konzern mit seinen Erfahrungen mit Ergo-Direkt am besten gerüstet zu sein.

Alle laufenden oder gerade gestarteten Modelle der neuen Vertriebsgesellschaften werden beweisen müssen, dass es nicht nur um Kostenreduzierung sondern um das richtige Aufstellen für die Kundenbedürfnisse geht. Ein qualifizierte Bedarfsermittlung und bedarfsgerechte Produkte sind dem Endkunden wichtiger als interne Strukturveränderungen.

Was die Suche nach den richtigen Strukturen so schwierig macht, ist das Beharren der eigenen Stammorga auf den „Pfründen der Vergangenheit und letztendliche auch die Veränderung bei den Kunden selbst. Die Kunden von heute sich keine homogene „Kundenmasse“ mehr. Viele wollen selbst auswählen, selbst vergleichen, selbst mitentscheiden und sich auch selbst umorientieren, wenn die Ratio und Emotion zum Anbieter nicht mehr stimmt.

Nach meinem Eindruck geht die Zeit, in der der einzelne Kunde „alles“ bei einem Versicherer hatte, zu Ende. Online-Plattformen und immer mehr Vermittler, die unabhängige Qualitätsberatung bieten, sind eine starke Konkurrenz geworden.

Oder was meinen Sie dazu?


Dr. Peter Schmidt Peter_Schmidt_Portrait Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als „assekuranzdoc“. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.

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