Die betriebswirtschaftliche Bewertung von Versicherungsmaklerunternehmen

Ein Gastbeitrag von Wolfgang F. Voll

Diese Ausführungen sind dazu bestimmt, Entscheidungsmerkmale für die Bewertung eines Versicherungsmaklerunternehmens aufzustellen. Damit soll einerseits den Versicherungsmaklern und -maklerinnen Hilfe für den Kauf oder Verkauf eines Versicherungsmaklerunternehmens, für den Zusammenschluss mit ebensolchen Marktteilnehmern oder das Ausscheiden aus einer Partnerschaft, die Auflösung einer solchen sowie für den Zugewinnausgleich oder den Erbfall gegeben werden, darüber hinaus eine Betrachtung für die gleichmäßige Beurteilung der Angemessenheit bei der Prüfung eines Übernahme-/Übergabevertrages.

Die folgenden Bewertungshinweise gehen von der Umsatzmethode aus, da sich diese in der Praxis gegenüber anderen Methoden, wie z.B. der Ertragswertmethode, als einfacher handhabbar erwiesen hat. Die Erfahrung zeigt, dass die Anwendung der Umsatzmethode zu zutreffenden Ergebnissen führt.

Die Prüfung der Angemessenheit sowie die gewerberechtliche Unbedenklichkeit der Übernahme/Übergabe eines Versicherungsmaklerunternehmens setzt auch die Bestimmung des Unternehmenswertes voraus. Dabei soll im Interesse der Beteiligten (Mandant, Makler, VU) der Übernehmer vor einer mit der Ausübung seines Gewerbes nicht zu vereinbarenden Einschränkung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit geschützt werden. Dazu ist der aktuelle Unternehmenswert festzustellen.

Anlässe für die Feststellung des Unternehmenswertes sind vor allem

  • die Feststellung des Wertes eines Unternehmens bei Übergabe oder Verkauf durch den Unternehmer oder dessen Erben und für die Ermittlung von Erb- und Pflichtteilsansprüchen
  • die Feststellung des Wertes eines Unternehmens für die Berechnung des Zugewinns
  • die Feststellung des Wertes eines Unternehmens bei Begründung einer Partnerschaft, beim Ausscheiden aus einer solchen oder bei deren Auflösung.

Die Entscheidungsmerkmale können auf den Einzelfall nicht schematisch angewendet werden, da sich die Verhältnisse jedes Unternehmens unterscheiden und grundsätzlich individuell zu beurteilen sind.

Bei der Bewertung ist stets zu berücksichtigen, ob die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Versicherungsvertragsvermittlung und deren Änderung unmittelbare Auswirkungen auf den zukünftigen Umsatz des Versicherungsmaklerunternehmens haben werden.
Die nachfolgenden Ausführungen geben daher nur Anhaltspunkte. Im Falle der Aufgabe des Unternehmens ohne Nachfolger und bei dauernder Unfähigkeit zur Geschäftsführung oder beim Tod des Unternehmers sinkt der Wert des Unternehmens in kurzer Zeit in so starkem Maße, dass in diesen Fällen bei der Feststellung des Unternehmenswertes im Interesse aller Beteiligten kurzfristig ein Ergebnis erzielt werden muss.

Begriffsbestimmungen

Die entgeltliche Übernahme/Übergabe eines Versicherungsmaklerunternehmens oder Anteilen an einem solchen ist zulässig. Sie verstößt weder gegen die guten Sitten noch gegen die Gewerbeordnung.

Im Hinblick auf die Gewerbeordnung und die entsprechenden Zulassungsvoraussetzungen im Vermittlerrecht und auf die Entwicklung der Rechtsprechung müssen bestehende vertragliche Bindungen sowie Verschwiegenheitsverpflichtung und Datenschutzrecht berücksichtigt werden.

Der Wert einer Versicherungsmaklerunternehmens setzt sich aus dem „Substanzwert“ und dem eigentlichen „Unternehmenswert“ (Goodwill) zusammen.

1. Substanzwert

Der Substanzwert ist nach allgemeinen Grundsätzen der Unternehmensbewertung festzustellen. Er setzt sich wie folgt zusammen:
a) Büroeinrichtung
Für die Bewertung der materiellen Güter gelten die Grundsätze für die Ermittlung des gemeinen Wertes im Sinne des Bewertungsgesetzes oder der steuerlichen Richtlinien.
b) Ausstehende Forderungen
Über die ausstehenden Forderungen – noch nicht abgerechnete Provisionen und sonstige Vergütungsansprüche – aus der Zeit vor dem Stichtag der Übernahme oder der Bewertung sowie bezüglich der bei den VU gebildeten Stornoreserven, sollte eine gesonderte Vereinbarung getroffen werden, wobei Einzelbewertung oder Pauschalierung möglich sind.
c) Verbindlichkeiten des Übergebers
Der Übernehmer sollte in keinem Falle in die Verbindlichkeiten – gleich welcher Art – des Übergebers eintreten. Aus diesem Grunde spielen sie idR bei der Ermittlung des Unternehmenswertes keine Rolle.

2. Unternehmenswert

Der ideelle Unternehmenswert (Goodwill) entspricht nicht dem Firmenwert des Unternehmens sondern wird in einer gesonderten Bewertung festgestellt.

Art der Bewertung

Das Versicherungsmaklerunternehmen ist ein gewerbliches Unternehmen in einem speziellen Dienstleistungssegment des Finanzdienstleistungsmarktes, das besonderen gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Zulassung und Ausübung sowie der behördlichen Überwachung unterliegt.

Der Wert des Versicherungsmaklerunternehmens ist aufgrund der ausgeprägten, durch Gesetz und Rechtsprechung (z.B. Urteil des BGH vom 22.05.1985: „Sachwalterurteil“) normierten Vertrauensbeziehung nachhaltig personenbezogen. Somit endet das persönliche Vertrauensverhältnis des Mandanten zum Versicherungsmakler zwangsläufig mit dessen Beendigung der Tätigkeit. Dies hat zur Folge, dass sich der Unternehmenswert schnell verflüchtigt.

Durch das eben genannte BGH-Urteil ist der Versicherungsmakler den sonstigen Beratern, „den freien Berufen“ gleichgestellt worden. Somit sind hier im Allgemeinen Dauerbeziehungen zwischen Mandanten und Versicherungsmakler gegeben. Dadurch ist eine Regelmäßigkeit der Einnahmen aus Courtagen bei der Bewertung zu berücksichtigen. Ebenso ist auf der anderen Seite die Beziehung des Versicherungsmaklers zu den Versicherungsunternehmen, deren Qualität und deren Dauer zu beachten.

Bewertungsgrundlagen

1. Umsatz aus Courtagen und Bestandspflegeprovisionen

Der geeignete Wertansatz für die Bemessung des Umsatzes ist die Höhe der Courtagen und Bestandspflegeprovisionen, da diese am sichersten aus den Abrechnungen der Versicherungsunternehmen und der Buchhaltung des Versicherungsmaklerunternehmens festzustellen sind und deren Entwicklung die Chancen der Fortführung des Unternehmens durch den Übernehmer am ehesten beurteilen lassen.
Als Grundlage für die Bewertung wird die Entwicklung des Unternehmens in den vier zurückliegenden Geschäftsjahren herangezogen. Sonderentwicklungen, wie die derzeitig bevorstehende Einführung der „Unisex-Tarife“ sind bei der Betrachtung entsprechend zu berücksichtigen. Das laufende Geschäftsjahr, in dem die Bewertung stattfindet, kann und sollte bei der Betrachtung der kontinuierlichen Geschäftsentwicklung mit einbezogen werden.

2. Umsatz aus Einmalprovisionen

Für die Bewertung des Unternehmens sind auch Einmalprovisionen heranzuziehen, da hieraus eine Beurteilung der Prosperität des Bestandes ermittelt werden kann. Es ist jedoch besonderer Wert auf das Zustandekommen der Verträge durch die Person des Unternehmers sowie auf äußere Umstände aus gesetzlichen Veränderungen und/oder der Rechnungsgrundlagen des Versicherungsmarktes zu legen.

3. Berechnungsfaktor

Der nach den vorherigen Punkten ermittelte Umsatz ist die Bemessungsgrundlage. Diese ist mit einem nach den Umständen des Einzelfalles und nach Sparten des Versicherungsbestandes des Unternehmens abhängigen Berechnungsfaktor zu bestimmen. Ausgehend von der so ermittelten Bewertungssume wird der Barwert nach dem DCF-Verfahren (discounted cash-flow) über drei Jahre ermittelt. Der Barwertfaktor besteht aus dem jeweils aktuellen Basiszinssatz der Bundesbank und einem pauschalierten Zuschlag, der sich an den wertbestimmenden Merkmalen orientiert.

Wertbestimmende Merkmale sind z.B.

a) werterhöhende Merkmale

  • Lange Dauer des Bestehens des Unternehmens
  • Besondere Stellung des Unternehmens im Markt, z.B. Zielgruppenorientierung
  • Struktur der Mandantschaft, z.B. breite Streuung
  • Struktur des Bestands, z.B. durchschnittliche hohe Anbindungsquote der Mandanten
  • Vollständige Anbindung der Mandantschaft durch Maklervertrag und -vollmacht
  • Wertschätzung durch Versicherungsunternehmen
  • Moderner Organisationsgrad des Unternehmens
  • Einführung des Übernehmers in die Mandantschaft durch den Übergeber oder weitere Übergangstätigkeit des Übergebers im Unternehmen
  • Sicherstellung der Bestandsübernahme bei den Versicherungsunternehmen

b) wertmindernde Merkmale

  • Kurze Dauer des Bestehens des Unternehmens
  • Alter des übergebenden Unternehmers über 65 Jahre
  • Schlechter Gesundheitszustand des übergebenden Unternehmers
  • Struktur der Mandantschaft, z.B. wenige Großkunden
  • Unzureichende Anbindung der Mandantschaft durch Maklervertrag und -vollmacht
  • Schlechte Schadenquoten
  • Schlechter Organisationsgrad des Unternehmens
  • Mangelnder Kontakt zu den Versicherungsunternehmen

Hinweise für den Einzelfall

1. Bei der Feststellung des Unternehmenswertes sind unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze die konkreten Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei ist hilfreich unter Beachtung der Verschwiegenheitsverpflichtung des beratenden Unternehmens die Einschätzung von Maklerbetreuern der Versicherungsunternehmen bezüglich der Marktgegebenheiten zu erfragen. Bei einer Unterbrechung oder Beendigung der Maklertätigkeit hat die Bewertung unmittelbar zu erfolgen, da sich der Unternehmenswert sehr schnell gegen Null bewegen wird.

2. Die Zahlung des Übernahmepreises für ein Versicherungsmaklerunternehmen durch den Übernehmer kann durch sofortige Gesamtzahlung, Raten- oder Rentenzahlung erfolgen. Die sofortige Gesamtzahlung ist aus Sicht des Übergebers jeder Raten- oder Rentenzahlung vorzuziehen. Raten- oder Rentenzahlungen sind unbedingt abzusichern.

3. Die Abgeltung der bei den Versicherungsunternehmen gebildeten Stornoreserven bedarf einer besonderen vertraglichen Regelung und ist mit den Versicherungsunternehmen abzustimmen, da bei diesen unterschiedliche Behandlungen erfolgen.

4. Die Einführung und oder weitere Mitarbeit des übergebenden Unternehmers im Unternehmen des Übernehmers ist ebenfalls im Übergabe-/Übernahmevertrag oder in einem gesonderten Vertrag zu regeln. Gegebenenfalls sind auch entsprechende Wettbewerbsklauseln zu vereinbaren.

5. Bezüglich der vorzuhaltenden Vermögensschadenshaftpflicht haben sich Übergeber und Übernehmer mit den jeweiligen Versicherungsgesellschaften abzustimmen.

6. Bei einer Berücksichtigung dieser Faktoren sollte der Übernehmer in der Lage sein, den ermittelten Wert, rsp. den damit bestimmten Kaufpreis des Unternehmens innerhalb von drei Jahren zu erwirtschaften.

Rechtliche und steuerliche Hinweise

Bei Veräußerung und Erwerb eines Versicherungsmaklerunternehmens treten vielschichtige rechtliche und steuerrechtliche Fragen auf. Beide Beteiligte sollten sich daher der Mitwirkung ihres Anwalts und Steuerberaters versichern.


VollDipl.-Kfm. Wolfgang F. Voll ist Unternehmensberater für Versicherungsmakler und Spezialist für die Bewertung von Beständen z.B. für Nachfolgeregelung, Familienstandsänderungen und Finanzierungen. Kontaktaufnahme unter info@p3a-unternehmensberatung.de oder www.p3a-unternehmensberatung.de

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