Sprechstunde beim @AssekuranzDoc: Wer jetzt nicht handelt, kann in 5 Jahren weg sein

Der Weckruf für die Versicherungsbranche war eindeutig. Hochkarätige Referenten machten den Teilnehmern des GDV-Versicherungstages deutlich, was Abwarten in der Frage der Digitalisierung für die Branche bedeuten kann. Kommt jetzt die Versicherungswirtschaft in allen Bereichen in Bewegung?

Es war schon ein besonders Bild. Über 400 Manager der Versicherungsbranche falten Papierflieger und lassen diese in den Saal des Versicherungstages 2015 starten. Initiator der Aktion war der Chef für Innovationen und kreative Programme bei Google, Fredrik G. Pferdt. Er brachte die Herren im edlen Zwirn dazu über die Innovationskultur in ihren Unternehmen nachzudenken und gewissermaßen analog die ersten Schritte zu gehen.

Folgen der technischen Revolutionen gestern und heute

Die neuen Herausforderungen für die Versicherungs- und Finanzwirtschaft wurden durch Günther Oettinger, EU-Kommissar für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft, mit passenden historischen Vergleichen für Umbrüche in Folge technischer Revolutionen illustriert. So erinnerte er an die Ablösung der Kunst der Buchvervielfältigungen durch die mechanische Buchdruckerkunst.

Oettinger machte der Branche eindrucksvoll transparent wie die großen Player der weltweiten Digitalisierung von jenseits des Atlantik aus operieren. Deren Handeln sieht er als Pfeil im Herz der europäischen und besonders der deutschen Wirtschaft, wenn hier die Digitalisierung nicht beschleunigt wird. Die Medienlandschaft ist nach seiner Meinung bereits „überrollt“ und nun sind die Banken und Versicherungen dran.

In den Szenarien für die Zukunft geht es nicht um die Verschwörungstheorien, die sich aktuell im Internet zuhauf finden. Es geht um die logischen Folgen aus den neuen technischen Möglichkeiten der Digitalisierung. Oettinger sieht einen kompletten Wandel in den Bereichen Industrie, Gebäude, Mobilität und bei den Menschen selbst.

Ein Generalproblem für den digitalen Wandel

Grundsätzlich ist die Versicherungsbranche für den digitalen Wandel schon ganz gut gerüstet, denn die Daten zu Kunden und Verträgen liegen bei den deutschen Versicherungsunternehmen bereits überwiegend digital vor. Das Generalproblem sind aber die Schnittstellen zu Vermittlern und vor allem zu den Kunden.

Viele neue Marktteilnehmer haben die digitalen Verbindung zu den Kunden bereits erfolgreich besetzt. Onlineportale und Startups sind so zur Konkurrenz der Versicherer und Vermittler geworden. Auf diese Auswirkungen der InsureTechs wurde hier bei Tagesbriefing.de bereits mehrfach eingegangen.

Den Angriff der großen Datensammler von Übersee bewertete die Deutschlandchefin von IBM Deutschland, Martina Koederitz, in einem Interview für „Positionen“, einem Magazin des GDV, so:

„Wenn morgen ein branchenfremdes Unternehmen kommt und eine Versicherung anbietet, die digital extrem schnell abgeschlossen werden kann – gerade, wenn keine intensiven Prüfungen nötig sind -, dann ist die Schnittstelle einfach zu kapern.“

Deshalb müssen Versicherer und Serviceleister der Vermittler das eigene Geschäftsmodell komplett verändern. Dazu sind die notwendigen Ressourcen bereitzustellen und eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die Kreativität fördert und eine schnelle Umsetzung in allen Bereichen möglich macht. Und genau damit haben viele Versicherer große Probleme. Unter dem Druck von Solvency II sind die Prioritäten oft anders gesetzt.

Vom Wandel in der Industrie lernen

Die Referenten zum Versicherungstag 2015 gingen mehrfach auf erfolgreiche Change-Prozesse in der Industrie ein, die einen Weg zu den Veränderungen in der Versicherungswirtschaft aufzeigen können. Martina Koederitz machte dies am Beispiel von IBM deutlich.

„In meiner Branche bringt jede Dekade eine neue technologische Revolution. Das war in den 1980er Jahren der PC. In den 1990er Jahren das Internet und im vergangenen Jahrzehnt hat sich Software und Service stark entwickelt.“

In der Folge des Rückgangs im Bereich Hardware stockte IBM die Beratungssparte massiv auf. Die Ressourcen wurden durch einen starken Zukauf von Softwarefirmen erweitert. Damit konnte das Potential für Innovationen verstärkt werden. Das ist eine Strategie, wie wir sie auch durch die Expansion von Apple, Facebook und Google kennen.

Als Schlussfolgerung für die deutschen Versicherer ergibt sich, dass Innovation nicht nur von innen kommen kann. Deshalb drängt sich auch die Frage auf, warum die Versicherer unter Koordinierung durch den Verband nicht mehr Kooperationen in diesen Fragen eingehen.

Die Kunden gehören in den Fokus der Innovationen

Nicht selten hört man in der Branche das Argument, der Kunde wolle doch gar keine digitalen Services und werde die Apps nicht annehmen. Solche Meinungen hört man bei Vermittlern ebenso wie bei Entscheidern von den Unternehmen selbst. Die eigene konservative Erfahrungswelt wird zum Maßstab für die Allgemeinheit gemacht.

Es ist aber nicht nur eine Frage der Generation Y ob und wie man mit den Smartphone den Alltag gestaltet und organisiert. Wer sich mit Freunden über Apps austauscht und Treffs organisiert, wer Tickets und Reisen über Apps bucht und bei fast allen Fragen das Internet über verschiedene App klärt, der wird früher oder später auch nach Versicherungen in Web suchen. Dann kommen die Anbieter zum Zuge, die solche Angebote mit einfach abschließbaren Produkten unterbreiten.

Deshalb wird nur eine ganzheitliche Strategie der Innovation zu Antworten auf die Digitalisierung des gesamten Workflows bei den Versicherern führen. Technische Grundlagen, internetkompatible Produkte und Schnittstellen zu Vermittlern und Kunden sind dann die Herausforderungen.

Und in dieser Kunden- und Vermittlersicht haben die Versicherer enormen strategischen Nachholebedarf. Es wurden Produkte entwickelt, die zwar auf Bedürfnisse der Kunden sowie an Ertragsmöglichkeiten für die Versicherer ausgerichtet waren, aber das Wie? des Verkaufs wird heute immer noch erst später beantwortet. Entweder werden dann kostenintensive Werbekampagnen geschalten oder die Verkaufsziele für den eigenen Vertrieb erhöht.

Ein Beispiel, wie man etwas Gutes macht aber dennoch am Trend der Digitalisierung vorbei gehen kann: Einige Versicherer haben interessante Kundenportale entwickelt. Im Portal kann der Kunde alle seine Verträge sehen und manchmal auch bestimmte Daten ändern. Auch Leistungserstattungen kann der Kunde bei dieser Portalen nachvollziehen. Aber die Bereitstellung einer App, die diese Funktionen auch ermöglicht, wurde einfach vergessen.

Echte Kundenorientierung für diese Portale würde auch bedeuten, dass man dem Kunden die Möglichkeit zur Verwaltung von „Fremdverträgen“ in einem datengeschützten Raum ermöglicht. Aber dafür fehlt einfach oft eine komplette Kundensicht.

Schöne Worte, aber Vermittler vergessen?

In den lauten Überlegungen der Branchenvertreter habe ich ein Thema vermisst – die Einbeziehung der Vermittler. Wenn es die Branche mit der Bewahrung der Stärken der deutschen Versicherungstradition ernst meint, dann darf ein Ausschluss der kompetenten Vermittler in den Prozess der Digitalisierung nicht passieren.

Wenn man sich von Onlinevermittlern unterscheiden will, dann muss man das wichtigste Bindeglied zwischen Kunde und Versicherer, den Vermittler, in die neuen Prozesse einbinden. Erstanfragen, Schadenmeldungen, Rückfragen zu Leistungserstattungen könnten einfach in Webservices für Kunden über den Vermittler eingebunden werden. So kommt es dann zum Vermittler per App in der Hosen- oder Handtasche des Kunden. Man muss es nur tun.

Ich finde es deshalb als zeitgemäße und moderne Antwort, wenn zumindest einige Maklerpools für „ihre“ Vermittler bald eine eigene Kundenapp anbieten wollen. Dennoch ist dies für die Branche zu wenig. Es fehlt an einer konzertierten Aktion für Basisausstattungen in den Fragen Applikationen, Schnittstellen und Servicelevels, die das Vertrauen der Kunden stärken.

Fazit

Es war eine zeitgemäße und gute Idee, dass der GDV für die Spitzenmanager seiner Mitgliedsunternehmen einen eindrucksvollen und ideenreichen Weckruf zur Digitalisierung mit dem Versicherungstag 2015 organisiert hat.

Wir stecken in einem nur als „revolutionär“ richtig bezeichneten Wandlungsprozess für die Finanz- und Versicherungswirtschaft. Es gilt sich auf den veränderten Kunden, seine neuen Informations- und Konsumtionsgewohnheiten einzustellen.

Digitalisierung ist eine strategische Aufgabe, die sich nicht nur auf technische Fragen oder IT-Themen begrenzt. Es muss eine Veränderung im ganzen Prozess der inneren und äußeren Belange der Hinwendung zum Kunden in Fragen der Vorsorge und Risikoabsicherung stattfinden. Wenn wir dies nicht tun werden weitere große Marken vom Markt verschwinden.

Und – es ist an die Unternehmen zu appellieren eines der wichtigsten Assets im Verkauf bei der Digitalisierung nicht zu vergessen, die Vermittler – meint

Ihr AssekuranzDoc

 


Dr. Peter Schmidt AssekuranzDocExperte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.

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