derKVProfi über die Baustelle PKV: EWR Krankenversicherer – wann sind sie eine Lösung?

Ein Gastbeitrag von Thorulf Müller (der „KVProfi“)

Ein Thema, dass den Markt und die Vermittlerschaft spaltet, ist das Thema EWR-Krankenversicherer. Der PKV-Verband wehrt sich mit Händen und Füßen und die Versicherungsaufsicht macht sich anscheinend mit den Mitgliedsunternehmen gemein.

Obwohl das europäische Recht eindeutig ist, verwehren die deutschen Versicherer die PPV (Pflegepflichtversicherung) und die Bestätigung von Kündigungen, weil sie die Folgeversicherungsnachweise nicht anerkennen.

Bis die rechtlichen Rahmenbedingungen, ggf. von ordentlichen deutschen Gerichten oder dem EuGH geklärt sind, wird es aktuell eigentlich kaum möglich sein, eine deutsche PKV mit einer EWR-KV zu beenden.

Grundsätze

Die EWR-Krankenversicherer, die nach Art der Schadenversicherung (und nicht nach Art Lebensversicherung – mit Alterungsrückstellung) kalkulieren, sind meiner Meinung nach nicht dafür da, dass man Menschen, die seit vielen Jahren in einer deutschen PKV versichert sind, zum Wechsel animiert. Es mag einzelne begründete Fälle geben, weil die Ausnahmen immer die Regel bestätigen. Aber hier sollte sehr gute Gründe für eine solche Empfehlung dokumentiert werden.

Die EWR-Krankenversicherer Lösungen für bestimmte Fälle und sollten auch nur hier angewendet werden:

  • Rücktritt/Anfechtung
  • Nicht-Versicherung
  • berufliche oder private weltweite Aufenthalte
  • Zusatz bei GKV in anderen Ländern
  • Incoming ohne Zugangsrecht zur GKV

Rücktritt/Anfechtung

Thorulf Müller

Thorulf Müller

Ein Einsatzgebiet ist der Bereich Rücktritt/Anfechtung, also Menschen, die Ihre PKV verlieren, weil sie bei Antragstellung die Fragen, die der Versicherer in Textform gestellt hat, nicht wahrheitsgemäß beantwortet haben (sollen).

Ohne jede Diskussion ist der Fall, in dem der Versicherer ein Gegenangebot unterbreitet, zu dem er den Vertrag fortführen würde.

Ein grundsätzliches Problem ist für diese Personen Versicherungsschutz zu organisieren. Grundsätzlich haben sie den Rechtsanspruch auf einen Basistarif, ggf. sogar beim bisherigen Versicherer. Der Basistarif ist aber aus verschiedenen Gründen eine schlechte Lösung:

Die Ärzte behandeln Patienten nicht zum erstattungsfähigen Satz (1,2 fachen der GOÄ für persönliche Leistungen), obwohl Kassenärzte durch den Vertrag zwischen dem PKV-Verband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) dazu verpflichtet sind. Das ist sogar im SGB V klar geregelt, dass Kassenärzte hier einer Versorgungspflicht unterliegen (§ 75 SGB V Abs. 3a und 3b)

Der Beitrag des Basistarifs ist, mit Verlaub, eine Unverschämtheit, wie der Notalgentarif letztendlich beweist! Der Beitrag wurde aus dem Standardtarif mit einem pauschalen Risikozuschlag in Höhe von 150% kalkuliert, der den Versicherer scheinbar direkt als Gewinn über den Ruhüberschuss und die gesetzliche Überschussverwendung zufließt.

Ggf. ist auch der Rücktritt bzw. die Anfechtung strittig und in Verhandlung ggf. vor Gericht.

Der Kunde will aber eine Absicherung für den Fall, dass etwas passiert. Und hier kann die EWR-Krankenversicherung eine Lösung sein.

Nicht-Versicherung

Hier ist immer zuerst die Frage stellen, wann das wodurch passiert ist und welches die letzte Krankenversicherung war.

War der Kunde zuletzt in der GKV, dann muss er nicht zwangsläufig bereits seit dem 01.04.2007 ohne Versicherung sein. Die obligatorische Anschlussversicherung wurde erst zum 01.08.2013 eingeführt (§ 188 Abs. 4 SGB V) und bis dahin ist es oft passiert, dass Menschen aus dem GKV System herausgefallen sind und plötzlich ohne Krankenversicherungsschutz waren.

Durch das KVBeitrSchG (Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung), das zum 01.08.2013 in Kraft getreten ist, sind auch die Nachzahlungen für die Zeit der Nichtversicherung im Bereich der GKV deutlich gesunken.

Seit dem 01.01.2014 gilt, dass die aufgelaufenen Beitragsschulden angemessen ermäßigt werden. Für jeden Monat ist demnach der Beitrag für eine sogenannte Anwartschaftsversicherung zu zahlen (Der Betrag ergibt sich aus dem Beitrag auf Grund fiktiver Einkünfte in Höhe von 1/10 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Regelungsgrundlage sind die „Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderungen bei Beitragsschulden“ des GKV-Spitzenverbandes vom 04. September 2013.). Zudem beträgt auch in diesem Fall der Säumniszuschlag nur noch ein Prozent pro Monat.

Es muss allerdings eine Erklärung abgegeben werden, dass für den Zeitraum des Erlasses bzw. der Ermäßigung keinerlei Versicherungsleistungen in Anspruch genommen wurden. Wurden Versicherungsleistungen in Anspruch genommen, gibt es keinen Erlass bzw. keine Ermäßigung.

Problematischer ist es, wenn der Kunde der PKV zuzuordnen ist, weil hier regelmäßig die Pflicht zur Versicherung am 01.01.2009 begonnen hat und nicht erfüllt ist. Der Prämienzuschlag beträgt dann regelmäßig bis zu 15 Monatsbeiträge (vereinfachte Rechnung).

Der Prämienzuschlag wird aus dem Basistarif berechnet. Dieser Zuschlag ist regelmäßig für den betroffenen Personenkreis nicht zu finanzieren. Hier ist die EWR-Krankenversicherung eine Lösung. Denn wichtiger als die Frage, ob und wie sich diese Krankenversicherung in der Zukunft entwickelt und ob dies eine nachhaltige Lösung ist, geht es vordergründig darum, dass diese Menschen wieder versichert sind, also wissen, dass wenn etwas passiert, eine Versicherung die Kosten übernimmt.

Dieses psychische Problem keinen Krankenversicherungsschutz zu haben, ist für die Menschen ein großes Problem, wie ich immer wieder feststellen muss.

Durch die EWR-Krankenversicherung ändert sich in der Zukunft nichts am zu zahlenden Prämienzuschlag in Höhe von 15 Monatsbeiträgen, wenn der Kunde später in die deutsche PKV wechselt, weil er den Prämienzuschlag dann vielleicht aufbringen kann. Ggf. ergibt sich aber zu einem späteren Zeitpunkt auch die Rückkehr in die GKV, womit der Prämienzuschlag entfällt.

Wir empfehlen daher bei Nichtversicherten:

Letzte Krankenversicherung GKV oder anderweitige Absicherung und Zuordnung zur GKV gemäß der nachrangigen Pflichtversicherung aus § 5 Abs. 1 Nr. 13: Bitte in der GKV versichern.

Letzte Krankenversicherung eine PKLV oder Zuordnung zur PKV gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 193 Abs. 3 VVG, dann ist die EWR Krankenversicherung ein Lösungsansatz.

berufliche oder private weltweite Aufenthalte

Wer sein Leben, ob aus beruflichen oder aus privaten Gründen, weltweit organisiert, der benötigt eine Krankenversicherung, die das kann.

Die deutsche PKV ist da kein wirkliches Instrument, wenn wir einmal von Ausnahmen absehen. Die Auslandsreisekrankenversicherung auch nicht. Da sollten Versicherungsvermittler einmal etwas genauer die in den Versicherungsbedingungen definierte Versicherungsfähigkeit beachten und vor allem sich mit der Frage der maximalen Laufzeit beschäftigen.

Ich persönlich empfehle, wenn denn der Wohnsitz abgemeldet wird bzw. wenn der gewöhnliche Aufenthalt (und das sind mehr als 180 Tage im Jahr außerhalb Deutschlands, der EU und es EWR) in Deutschaland nicht gegeben ist, die deutsche PKV, oder auch GKV, inkl. der PPV/SPV auf Anwartschaft zu stellen.

Die Rechtsgrundlagen finden sich in den MB/KK bzw. AVB der PKV bzw. in § 16 SGB V.

Die deutsche KV, die wegen Aufenthaltes außerhalb der EU/EWR auf Anwartschaft geführt wird, lebt dann bei Rückkehr wieder auf.

Bitte beachten Sie die Besonderheiten bei Entsendung, Grenzgängern bzw. einer Beschäftigung innerhalb der EU/EWR/CH bzw. dem Aufenthalt in einem EU/EWR/CH Staat ohne Erwerbstätigkeit. Hier ist die EG Verordnung 883/2004 bzw. andere gesetzliche Vorschriften zu beachten.

Zusatz bei GKV in anderen Ländern

Die EWR-Krankenversicherer sind eigentlich eine 100% PVKV-Vollversicherung, die aber auf dem Gedanken eines staatlichen Gesundheitswesens (analog Großbrittanien NHS) für alle Bürger des Landes basieren.

Deshalb sind sie eine ideale Lösung für Menschen, die in europäischen Ländern in dem dortigen Gesundheitswesen versichert sind, es aber als unzureichend empfinden. Dies kann vor allem in osteuropäischen Ländern, Griechenland, Großbritannien, etc. der Fall sein.

Hier ist die EWR-Krankenversicherung die ideale Ergänzung, die die Kosten entsprechend dem gewählten Vertrag zu 100% erstatten.

Incoming ohne Zugangsrecht zur GKV

Viele Impats haben kein Zugangsrecht zur GKV oder haben die Frist gemäß § 9 SGB V versäumt. Die deutsche PKV fühlt sich in solchen Fällen nicht zuständig oder sie will einen Basistarif versichern. Verlangt dann aber regelmäßig einen Aufwand, der unter Umständen nicht zu erfüllen ist.

Auch hier ist die EWR-Krankenversicherung sehr oft eine Lösung. Diese Lösung ist auch nicht nachteilig, wenn die betroffenen Personen nur für eine begrenzte Zeit in Deutschland sein wollen, um dann in ein anderes Land zu gehen oder in Ihre Heimat zurück.

Pflegepflichtversicherung

Bezüglich der Pflegepflichtversicherung erleben wir auch Widerstand durch die Mitgliedsunternehmen des PKV Verbandes, die eigentlich die PPV zeichnen müssten, wenn der Kunde der Pflicht6versicherung unterliegt. Und genau das bestreiten die deutschen PKV-Versicherer. Sie bestreiten, dass die EWR-Krankenversicherung eine PKV im Sinne des § 193 Abs. 3 VVG ist.

Wenn ich also bei einer deutschen PKV für den Kunden einer EWR-Krankenversicherung innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der EWR-Krankenversicherung, eine PPV gemäß § 23 Abs. 1 und 2 und § 110 SGB XI beantrage, ist es die Aufgabe der PKV zu prüfen, ob eine Pflichtversicherung ausgelöst ist. Ist dies nicht der Fall, wird sie ablehnen. Diesen Ablehnungsbescheid muss man nur archivieren, denn wenn die PKV die Pflichtversicherung bestreitet, dann kann der Kunde auch nicht dagegen verstoßen und ist damit auch nicht von Bußgeldern bedroht.

Anerkennung EWR durch GKV als anderweitige Absicherung

Zwischenzeitlich konnte in mehreren Widerspruchsverfahren, bei denen es um die Frage gegangen ist, ob die Folgeversicherungsbescheinigung einer EWR-Krankenversicherung eine freiwillige G-Mitgliedschaft beenden kann, eine positive Entscheidung durchgesetzt werden.

Die jeweilige GKV hat die Kündigung des freiwillig versicherten Mitglieds jeweils anerkannt.

Problemfälle

Aus der gesamten Situation ergeben sich Problemfälle, die ein sehr detailliertes Wissen voraussetzen.

Ich empfehle daher die Zusammenarbeit mit der Neue KV GmbH (www.neuekv.de) und dem Versicherungsberater VersSulting UG (www.verssulting.de) die hier spezialisiert sind und die Lösungen für Ihre Kunden erarbeiten.

Dazu gehört auch die Durchsetzung von Folgeversicherungsnachweisen, Vorversicherungsnachweisen und PPV-Abschluss.

Eine weitere Lösung ist der RWM-Versicherungs-Schutzbrief (www.versicherungs-schutzbrief.de) und Consultingleistungen durch die RWM-Group (www.rwmgroup.de), insbesondere bei der Installation von Firmenlösungen.

Ob Incoming oder Outgoing, Grenzgänger, Expatriats und Impatriats, vorrübergehender beruflicher oder privater Aufenthalt außerhalb der EU/EWR/CH oder innerhalb der Länder, für die EG Verordnung 883/2004 gilt. Ob Entsendung oder Änderung des Beschäftigungsverhältnisses auf eine Konzerntochter im Ausland oder Grenzgänger. Nutzen Sie das internationale KnowHow von derKVProfi, Neue KV und RWM-Group.


Über den Autor

Thorulf Müller

Thorulf Müller

Thorulf Müller ist der KVProfi. Er hat seinen Beruf, Versicherungskaufmann IHK mit Schwerpunkt Krankenversicherung von der Pike auf bei einem der größten privaten Krankenversicherer in Deutschland gelernt.

Nach vielen Jahren im Vertrieb und in den Bereichen strategisches Vertriebsmanagement, Strukturveränderungen, Projektmanagement für eine neue geschäftliche und strategische Ausrichtung, Entwicklung neuer Geschäftsfelder, M&A und Produktmanagement ist er seit Ende 2004 als Berater, Produktmanager, Referent und Trainer tätig.

Er beobachtet und bewertet den Markt mit inzwischen schon legendärer und bissiger Direktheit. Zwischenzeitlich ist er überwiegend journalistisch und publizistisch tätig! Seine Kolumnen und Artikel sind beliebt und gefürchtet. Sie finden ihn auf Der-KVprofi.de. Außerdem betreibt er Versicherungsblogwatch.de.

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