Towers Watson: „Bankvertrieb wieder vorne, Makler im Stimmungstief“

Lebensversicherer wollen Bank- und Direktvertrieb ausbauen

PRESSEMITTEILUNG – Köln/Frankfurt, 25. November 2014 – Der Bankvertrieb hatte 2013 den größten Marktanteil beim Vertrieb von Lebensversicherungsprodukten in Deutschland und schob sich mit 28,5 Prozent vor die Ausschließlichkeitsorganisation1 (28,1 Prozent). Auf dem dritten Platz folgen die unabhängigen Vermittler mit 26 Prozent.

Der Grund für diese Entwicklung liegt vor allem im veränderten Geschäftsmix – einem deutlichen Rückgang beim laufenden Beitrag und starkem Wachstum bei Einmalbeiträgen, von dem insbesondere der Bankkanal profitiert hat. Bei der Frage, für welchen Vertriebskanal die Unternehmen in den nächsten fünf Jahren eine zunehmende Bedeutung sehen, rutschen die unabhängigen Vermittler von 41 Prozent im Vorjahr auf nur noch 23 Prozent ab. Wesentlich mehr Wachstum wird dem Bankkanal und dem Direktvertrieb sowie Internetvergleichsportalen zugetraut.

Dies sind die Kernaussagen des 15. Vertriebswege-Survey Leben, den die Unternehmensberatung Towers Watson heute in Frankfurt vor Journalisten präsentierte. Die teilnehmenden Unternehmen repräsentieren rund 82 Prozent des gesamten Neugeschäfts im Jahr 2013 in Deutschland.

„Die Lebensversicherer planen verstärkt den Ausbau des Bankvertriebs und die Nutzung digitaler Vertriebskanäle wie Direktvertrieb und Internetportale“, erklärt Frank Schepers, Geschäftsführer des Bereichs Versicherungsberatung bei Towers Watson. „Das reflektiert einerseits den anhaltenden Trend zu Einmalbeiträgen, für die der Bankvertrieb einen besseren Zugang bietet als andere Kanäle. Andererseits entsteht Potenzial, relativ einfach gestaltete und kosteneffiziente Produkte via Unternehmens-Website oder Vergleichsportale zu vertreiben. Diese Entwicklung wird in Zukunft durch das LVRG und andere gesetzliche Neuerungen noch verstärkt.“

ERGEBNISSE 2013

Gestiegene Einmalbeiträge bringen Bankvertrieb nach vorne

Das Einmalbeitragsvolumen insgesamt ist 2013 deutlich, um 14 Prozent, gestiegen. „Einige Versicherer versuchen, Rückgänge beim Geschäft gegen laufenden Beitrag durch ein höheres Einmalbeitrags-Volumen zu kompensieren“, sagt Martin Baier, Berater bei Towers Watson und verantwortlich für die Studie. „So halten sie in etwa das Gesamtbeitragsvolumen.“ Insbesondere konnte durch diese Entwicklung der Bankvertrieb gewinnen. Zu beachten ist jedoch, dass nur wenige Anbieter einen direkten Zugang zu diesem Vertriebsweg haben, und auch davon nicht alle große Volumina im Einmalbeitragsgeschäft gezeichnet haben. Insbesondere unter den öffentlichen Versicherern befinden sich einige, die das Einmalbeitragsgeschäft bewusst nicht weiter forcierten.

Laufende Beiträge: Unabhängige Vermittler halten sich noch am besten

Da das Wachstum bei Einmalbeiträgen volatil ist, lohnt sich für die Analyse langfristiger Markttrends der Blick auf die Entwicklung bei laufenden Beiträgen: 2013 ist das Neugeschäftsvolumen mit diesen Produkten um 13 Prozent gesunken. Nahezu alle Vertriebswege verzeichneten hier Neugeschäftsrückgänge. Erhebliche Anteilsverluste musste die AO hinnehmen, vor allem aufgrund hoher Verluste einzelner großer Anbieter. Mit 31,2 Prozent Marktanteil fiel sie hinter die unabhängigen Vermittler (32,3) zurück, deren Verlust am wenigsten deutlich ausfiel.

STIMMUNGSBILD 2014

Ausbau des Bank- und Direktvertriebs geplant

Das Stimmungsbild der Versicherer im Jahr 2014 hat sich gegenüber 2013 stark verändert: Im Bank- und Direktvertrieb sehen die Studienteilnehmer zukünftiges Wachstum. Insbesondere der Bankkanal liegt mit 40 Prozent (Vorjahr: 34) deutlich vor den anderen Vertriebswegen. „Dahinter steckt auch die Erwartung an ein weiter wachsendes Geschäft mit Einmalbeiträgen“, erklärt Baier. „Allerdings muss man berücksichtigen, dass der Bankvertrieb nur noch vergleichsweise wenig Ausbaupotenzial bietet: Die relativ wenigen Marktteilnehmer im Banksektor haben langfristige und zum Teil auch exklusive Kooperationen mit Versicherern.“

Einen deutlichen Zuwachs hat außerdem der Direktvertrieb zu verzeichnen, dem mittlerweile 28 Prozent (Vorjahr: 18) eine zunehmende Bedeutung für ihr Unternehmen beimessen. „Dies lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass immer mehr Lebensversicherer weite Teile ihres Produktangebots oder sogar die gesamte Produktpalette zum Abschluss im Internet anbieten“, kommentiert Baier. So schließen die Kunden dann online direkt beim Versicherer ab. „Auch die stärkere Integration von Elementen des Direktvertriebs in den traditionellen Vertriebskanälen – gemeinsame Nutzung oder der Austausch von Daten für die Leadgenerierung
etwa – spielt für die wachsende Bedeutung eine Rolle.“

Unabhängige Vermittler

Einbußen hinsichtlich seiner zukünftigen Marktposition muss vor allem der Maklervertrieb hinnehmen: Lediglich 23 Prozent (Vorjahr: 41) der befragten Gesellschaften sehen für ihn eine steigende Bedeutung. „Auslöser hierfür ist unter anderem der zunehmende Verdrängungswettbewerb der Versicherer in diesem Absatzkanal“, so Baier. „Und der Regulierungsdruck durch das LVRG wirkt sich verstärkt auf die unabhängigen Vermittler aus.“ Damit setzt dieser Vertriebsweg seinen Abwärtstrend hinsichtlich der Erwartungen seitens der Versicherer fort.

Vertrieb der Zukunft: Die künftigen Einflussfaktoren

„Sicher ist, dass wir uns erst am Anfang eines rigorosen Strukturwandels in der Lebensversicherung befinden“, sagt Towers Watson-Geschäftsführer Schepers. Wesentliche Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Vertriebswege sind dabei die Veränderungen in der Vertriebsvergütung sowie das veränderte Kundenverhalten:

Vergütungsmodelle im Umbruch: „Auch wenn das LVRG keine explizite Begrenzung der Provisionen vorsieht – der Auftrag des Gesetzgebers ist klar: Hohe Abschlussprovisionen sollen nicht mehr einfach an den Kunden weiter gereicht werden können“, so Schepers weiter. Die Anbieter würden daher nicht umhin kommen, neue Systeme mit stärkeren Bestandsprovisionen einzuführen. „Gerade vor dem Hintergrund der Belastungen aus der Zinszusatzreserve, dem anhaltenden Niedrigzinsumfeld und Solvency II wird sich kaum ein Versicherer leisten können, die Provisionen aus der Gewinnmarge aufrecht zu erhalten.“

Unter den Änderungen werden insbesondere Vertriebswege mit hohen Abschlussprovisionen leiden – zum Beispiel die unabhängigen Vermittler oder der Strukturvertrieb. „Heimliche Gewinner könnten die Ausschließlichkeitsorganisationen sein, bei denen die Abschlussprovisionen einen deutlich geringeren Anteil ausmachen“, erwartet Schepers. Allerdings müsse man gerade hier prüfen, wie auch die internen Abschlussaufwendungen für Strukturzuschüsse und Vertriebsunterstützung reduziert werden können.

Kundenverhalten: „Langfristig müssen sich die Versicherer auf ein eher hybrides Kundenverhalten einstellen“, sagt Baier. D. h. Kunden informieren sich beim Berater und schließen über den Direktkanal ab oder umgekehrt. Dies erfordert, auf allen Kanälen mit stets aktuellen Informationen für den Kunden und über den Kunden präsent zu sein. Nur Unternehmen mit einer guten Digitalisierungsstrategie können sich auf diese Veränderungen einstellen, indem sie etwa das digitale Angebot stärker mit ihrem eigenen Vertrieb oder dem Vermittler, also der persönlichen Beratung, verknüpfen. So können Vermittler einerseits zielgerichtet und zügig, unter anderem per Co-Browsing, verkaufen, andererseits leichter das Cross-Selling-Potenzial nutzen. Insbesondere für die AO liegt hier Potenzial, ihren Kunden individuelle Versicherungskonzepte zu vermitteln und die Kundenbindung zu stärken.

Produktwelt: Die Produktlandschaft in der Risiko- und Altersvorsorge ist in den letzten Jahren immer komplexer geworden. Für einen Teil der Kunden verliert die Lebensversicherung dadurch an Attraktivität. „So erwarten wir langfristig eine Teilung des Produkt- und Vertriebsangebots“, sagt Baier. „Einerseits sehen wir die Rückkehr zu einfachen, standardisierten und damit effizient zu vertreibenden und zu verwaltenden Produkten. Damit kann der Vertrieb Beratungszeit einsparen, die Produkte über Vergleichsportale anbieten und junge, Internet-affine Kunden erreichen. Andererseits investiert er die gesparte Zeit in die Beratung gehobener Kunden, denen er maßgeschneiderte Lösungen und exklusiven Service bietet.“

Fazit

Die Einführung des LVRG ist nur ein weiterer Schritt zur Transformation der Lebensversicherungsvertriebe. Die goldenen Zeiten der hohen Verzinsungen inklusive großer Steuervorteile sind vorbei und einem Überlebenskampf mit immer komplexeren Produkten mit wachsendem Transparenzanspruch gewichen. Anbieter und Vermittler werden sich neu und stärker positionieren müssen, um im Markt bestehen zu können.

Hintergrundinformationen

Zur Studie

Von den 76 größten in Deutschland tätigen Lebensversicherungsunternehmen haben sich 45 an der Untersuchung von Towers Watson beteiligt. Die teilnehmenden Unternehmen repräsentieren rund 82 Prozent des gesamten Lebensversicherungs-Neugeschäfts im Jahr 2013 in Deutschland. Die Daten der Versicherer, die nicht teilgenommen haben, wurden von Towers Watson durch Informationen aus den Geschäftsberichten und Schätzungen auf Basis eigener Marktkenntnis ergänzt. Vergleichbare Umfragen führt Towers Watson jährlich für die Vertriebswege der Schaden-/Unfallversicherung und der Krankenversicherung durch.

Über Towers Watson

Towers Watson (NYSE, NASDAQ: TW) ist ein führendes weltweites Beratungsunternehmen, das Unternehmen dabei unterstützt, ihre Leistung durch effizientes Personal-, Risiko- und Finanzmanagement zu verbessern. Das Unternehmen berät zu allen Aspekten der betrieblichen Altersversorgung, des Talent- und Vergütungsmanagements sowie des Risiko- und Kapitalmanagements. Towers Watson hat weltweit circa 15.000 Mitarbeiter.

Das Geschäftssegment Risk and Financial Services von Towers Watson bietet Dienstleistungen in den Bereichen Versicherung, Risikomanagement, Rückversicherung und Investment. Towers Watson berät hier mehr als drei Viertel der weltweit größten Versicherungsunternehmen und hat über 400 Softwarekunden. Im Investment Consulting berät Towers Watson mehr als 1.000 institutionelle Anleger mit Vermögenswerten in Höhe von über 2,1 Billionen US-Dollar.

 

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