Sprechstunde beim @AssekuranzDoc: Spezialist oder Allrounder, das ist hier die Frage

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Die haben keine Ahnung, sagen die Einen. Die können nicht über den Tellerrand schauen, sagen die Anderen. Es ist fast wie Diskussion um Henne oder Ei, wer zuerst da war. Und derzeit diskutiert man in den sozialen Netzwerken einmal wieder, wer denn nun der bessere Vermittler oder Berater ist – Spezialist oder Allrounder.

In vielen Berufen fängt man als Generalist an. Ein angelerntes Maß an Allgemeinwissen zu einem bestimmten Fachgebiet gehört zum Start in einen Beruf oder eine Tätigkeit natürlich dazu. Doch selbst nach langen Jahren im Beruf kann kaum einer sagen, dass er von allem und jedem alles weiß. So auch bei Finanz- und Versicherungsberatern.

Die Gebiete der Versicherungs- oder Finanzberatung sind einfach zu groß und vielfältig. Gut ist schon, wer durch mehrjährige Erfahrungen und sein Grundwissen weiß, wie er mit den unterschiedlichsten Ausgangssituationen seiner Kunden umgehen muss und wo seine Grenzen sind.

Die Allroundvermittler

Besonders langjährig erfahrene Vermittler empfinden sich häufig als „die“ Generalisten und damit als glücklichsten Menschen der Welt. Umfangreiches Fakten- und Spartenwissen macht eine Rundum-Beratung der Kunden möglich. Und solche Beratungen führen auch schnell zu positiven Ergebnissen für Kunden und Vermittler. Egal, ob letztere Makler, Berater oder auch Ausschließlichkeitsvermittler sind.

Der selbstbewusste und erfolgreiche Allrounder ist aber oft kein Spezialist.Er versteht es aber trefflich, seine „schwachen“ Gebiete zu umschiffen oder zur rechten Zeit einen Spezialisten einzuschalten. Typisches Beispiel sind Versicherungsvermittler, deren „Weltbild“ von der Altersversorgung bei klassischen Rentenversicherungen endet. Kommen Fondsprodukte ins Spiel, dann werden sie unsicher. Und das „Minenfeld“ der Investments gehen sie aus Scheu vor Enttäuschungen beim Kunden erst gar nicht an.

Der erfahrene Allrounder spürt geradezu, wenn es kritisch wird. Dann weicht er aus und geht auf vertraute Wissens- und Erfahrungsfelder. Und dies ist eigentlich auch ganz gut so.

In größeren Maklerfirmen oder Vermittleragenturen sind Allrounder ein ganz entscheidendes Bindeglied zum Kunden. Über 90 Prozent der Fragen der Kunden können von diesen erledigt werden. Auch bei Firmenneugründungen, neudeutsch den „Start up“s, sind Allrounder gefragt. Alle können mit zufassen und die Zusammengehörigkeit fördert auch ein gutes Arbeitsklima.

Bei jedem Start up wird es aber früher oder später unabdingbar, dass sich Allrounder zu Spezialisten entwickeln. Standardisierung, häufig auch Internationalisierung und Skalierung von Prozessen, treiben dies bei erfolgreichen Unternehmen schnell voran. Dazu kommen Bereiche, die in der Regel von Anfang an nur durch Spezialisten besetzt werden können, wenn wir nur an IT, Recht und Steuer denken.

Die Spezialisten und Spezialmakler

Der Weg in der Finanz- und Versicherungsbranche zum Spezialisten wird entweder durch die „Grundausbildung“, den ersten Arbeitgeber oder auch mehr oder weniger durch den Zufall geprägt. Wer bei einem Industrieversicherer gelernt hat, wird immer einen Vorsprung gegenüber Vermittlern haben, die den Weg in die Branche über einen Finanzvertrieb oder die Ausschließlichkeit gefunden haben.

Nicht wenige Spezialmakler für Investment haben eine Bankvergangenheit. Experten für private Krankenversicherungen verweisen gerne auf ihre Wurzeln in Spezialvertrieben oder Tätigkeiten im aktuarischen Bereich von PKV-Unternehmen.

Grundsätzlich gibt es unter den Vermittlern im Gegensatz zu anderen Berufen noch zu wenige, die ein Spezialgebiet erobert haben und dieses auch zu „ihrer Marke“ gemacht haben. Warum ist das so, dass sich Allrounder seltener zum Spezialisten entwickeln?

Es ist einfach menschlich. Die gewohnte Wohlfühlwelt muss verlassen werden, es gilt sich umzustellen und zu qualifizieren. Und dies ist im normalen Alttagsgeschäft mit Familie und Hobbys schwer zu bewältigen. Und je älter desto…

Hochachtung für die Vermittler, die neben dem operativen Alltag noch die „Schulbank“ drücken und sich beispielsweise zum Fachwirt fortbilden oder ein Bachelor-Studium absolvieren. Nicht zu vergessen die Vermittler, die sich auf Grund der gesetzlichen Gegebenheiten für den IHK-Sachkundenachweis aktuell für §34f der GeWO qualifizieren.

Harmonie oder Streit in der Kommunikation

Oft gelingt es nicht, Spezialisten und Allrounder in ein dauerhaft konstruktives Miteinander zu bringen. Besondere Kunden, besonderes Know How und oft größere Umsätze bei den Spezialisten fachen schnell die Neid- oder Mitleidsdiskussion mit Kollegen und Mitbewerber an. Je nachdem in welchem Umfeld bestimmte Thema diskutiert werden.

Die Innendienste von Versicherern kennen das zur Genüge. Spezialisten für die Erstattung von Krankenhausrechnungen haben per se für ein PKV-Unternehmen deutlich mehr Verantwortung als die Kollegen, die tagein und tagaus Rezeptrechnungen erstatten müssen, die kontinuierlich von den Kunden ins Haus flattern.

Die Tätigkeiten letzterer wurde inzwischen oft auch schon auf den Opferstock der Rationalisierung getragen, bis die Unternehmen der Rolle bei der Kundenkommunikation und einer zügigen Leistungserstattung (wieder-)erkannten. So geht es bei manchen PKVen inzwischen wieder back to the roots.

In größeren Firmen wird über Spezialisten schnell von den „Fachidioten“ und bei Allroundern von den „Alles-aber-auch-nichts Könnern“ gesprochen. Bei freien Vermittlern schwanken die Beurteilungen der Kollegen auch von herb, deftig und arrogant bis hin zu hilfsbereit und diplomatisch. So fliegen aktuell in manchen Chatrooms des Social Media die Fetzen, wenn es den wahren oder selbsternannten Spezialisten einmal zuviel wird mit den Fragen der Kollegen aus dem Bereich Basiswissen. „Kuhbingo“ ist schon zur legenderen Betitelung für zufällige, fachlich richtige Antworten von Greenhorns geworden.

Vielleicht vergisst dabei der eine oder andere Spezialist zu schnell, wie seine Anfänge in der Branche waren und wie dankbar man war, wenn ein Kollege einem „unter die (fachlichen) Arme griff“. Zweifellos liegt es aber diese kommunikativen Konflikte, weil Spezialisten häufig eben auch von ihrem Spezialwissen als Berater leben. Aber auch dann gilt auch: Ein mürrischer Kunde wird kein guter Kunde.

In der FAZ wurde dieses Phänomen einmal treffend so beschrieben:

„Experten und Allrounder verbindet eine Haßliebe. Ein Generalist, so spottet der Spezialist, kapiere von immer mehr immer weniger. Der vermeintliche Überflieger, kontert der Generalist, verbohre sich in ein paar Themen und stehe zwar an der Spitze seines Faches, sehe aber nicht mehr den Boden unter sich.“

Fazit:

Spezialisten unter Vermittlern brauchen bei aller Spezialisierung ein breites Fundament, um durch Entwicklungen in der Wirtschaft und Politik nicht aufs Abstellgleis ihres Fachgebietes zu geraten, wie so mancher attraktiv gestaltete Meisterbrief „vergangener Berufe“ heute wirkungsvoll zeigt.

Allrounder werden auf Dauer nur bestehen können, wenn sie auf einigen Gebieten ihr Wissen stetig vertiefen, unternehmerisch neue Entwicklungen aufgreifen und fachliche „Steckenpferde“ pflegen.

Beiden Seiten sind Kooperationen und konstruktive Kommunikation miteinander zu empfehlen. Mehr als je zuvor. Die anstehenden Veränderungen in der Beratung und Vergütung für das Geschäftsmodell Finanz- und Versicherungsvermittler zwingen zum Umdenken.

Deshalb ist es so manchen „Generalisten-Makler“ und „Spezialisten-Makler“ zu empfehlen, sich einmal gemeinsam die Checkliste für den Notfallplan durchzugehen und zu vereinbaren, wie man sich im Alltag und in Notsituationen gemeinsam helfen kann. Immer zum gegenseitigen Vorteil.

Oder wie war der Spruch vom „Wer zu spät kommt, den bestraft das…“

 


Dr. Peter Schmidt Peter_Schmidt_Portrait Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als „assekuranzdoc“. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.

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