Sprechstunde beim @AssekuranzDoc: Patient Wohngebäude-Versicherung

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Die Zurich-Versicherungen haben das Geschäft mit einem Großteil ihrer Gebäudeversicherungen aufgegeben. Der Ergo-Konzern will 120.000 Altpolicen nicht fortführen und den Kunden neue Verträge mit höheren Beiträgen und einer Selbstbeteiligung von 500 EUR anbieten. Selbst die Allianz zog mit Veränderungskündigungen bei 15.000 Kunden mit Gebäudepolicen der ehemaligen staatlichen Versicherung der DDR die Notbremse. Die Sparte ist krank und braucht Medizin.

Die branchenweiten Verlusste in der Wohngebäudesparte sind nicht erst mit den Jahrhundertschäden des Sturms Kyrill oder des Hochwassers 2013 ein brisantes Thema geworden. Regulierte Schäden in Höhe von 2 Milliarden durch die Hochwasser an Donau, Elbe & Co. aus 2013 haben die Verluste der Assekuranz in dieser Sparte in die Höhe schießen lassen. Allein bei der Allianz mussten 40.000 Schadenmeldungen nach dem Ausufern der Flüsse im Osten der Republik reguliert werden. Massive Hagelschäden haben im doppelten Sinn Spuren hinterlassen. Nur noch wenige Versicherer schreiben schwarze Zahlen mit den Policen für die Häuser im Lande.

Die Häuser der Deutschen sind in die Jahre gekommen

Fast unbemerkt hat sich das Durchschnittsalter der Häuser in Deutschland auf fast 50 Jahre entwickelt. Trotz Bauboom nach der Wende im Osten Deutschlands ist hier das Durchschnittsalter der Häuser noch höher. Nach Erhebungen des Volkszählung (Zensus 2011) sind von rund 11,7 Millionen Häusern in Deutschland nur 2,8 Millionen nach 1990 gebaut.

Ältere Häuser sind – wenn sie nicht rechtzeitig saniert werden – anfälliger für Sturm- und Leitungswasserschäden. Die Schadenhäufigkeit steigt bei Gebäuden mit steigendem Alter signifikant an – auch noch über 20 Jahre hinaus, wie die Aktuare von MSK mit Daten aus dem eigenen Datenpool belegen können. Die Kölner werten die Schadenfälle von 12 Versicherern aus und können exakte Fakten zum Zusammenhang von Region, Alter des Gebäudes und Schadenhäufigkeit liefern.

Weiterer Kostendruck kommt für die Versicherer aus den gesunkenen Kapitalerträgen, hohen Abschlusskosten und den Anforderungen aus Solvency II. Letzteres verlangt von den Versicherern mehr Risikokapital dessen Quellen aber nicht mehr so reichlich sprudeln wie in früheren Zeiten.

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Alttarife stellen eine Bedrohung dar

Doch nicht nur die jüngsten Schäden haben die „Krankheitssymptome“ der Gebäudepolicen verstärkt. Viele Gebäudeversicherungen aus den 60er/70er Jahren werden der Schaden- und Kostenentwicklung der Gegenwart nicht mehr gerecht. Häufigere Sturm-, Hagel- und Frostschäden als Folgen der Klimaveränderungen gehen einher mit gestiegenen Aufwendungen für die Schadenbehebungen.

Ergo-Vorstand Frank Siebers, verantwortlich für das Privatkundengeschäft, spricht von einem „Ungleichgewicht der Schadenszahlungen und Versicherungsbeiträgen. Selbst Verbraucherschützer gehen von einem Anpassungsbedarf aus, der bis zu 100 Prozent betragen kann.

Kunden mit Altverträgen werden solche Botschaften nicht erfreuen. Aber für das Handeln der Versicherer gibt es wenige Alternativen, will man den Versicherungsschutz gegen die finanziellen Folgen von Sturm, Feuer, Hagel oder Überschwemmungen nicht grundsätzlich gefährden. Denn nur eine auskömmliche Kalkulation der Tarife mit risikoadäquaten Prämien macht den Patienten wieder gesund.

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Neue Fakten – Neue Wege

Neben höheren Prämien für die neuen Gebäudepolicen werden weitere Maßnahmen zur Gesundung dieser Schutzpakete ergriffen, die Vermittler und Kunden teilweise schon aus anderen Versicherungen kennen. Selbstbehalte pro Schadenfall sowie Zusatzprämien für bestimmte Risiken gehören wie bei der KFZ-Versicherung schon zum Standard der neuen Verträge für Wohngebäudeversicherungen.

Neu sind erste Verträge mit Klauseln zur sogenannten „Treuhänderanpassung“, die die Versicherer in die Lage versetzen, bei erhöhten Schadenaufwendungen Beitragsanpassungen in bestehenden Verträgen vorzunehmen. Zunehmen werden sicher auch Policen, die die „Schadenfreiheit“ besonders honorieren oder auch das zunehmende Alter des Gebäudes mit dynamischen Prämien berücksichtigen.

„Ob neue Verträge gewinnbringend verlaufen, sollte keine Glücksfrage sein“, appelliert Onnen Siems, Managing Director von der MSK, an die Versicherer und fordert mehr Tarifcontrolling und eine stärkere Risikodifferenzierung (Meyerthole Siems Kohlruss, Gesellschaft für aktuarielle Beratung mbH Köln, Bulletin 02.2014, S. 1ff.). Die Erfolge bei der KFZ-Versicherung hätten gezeigt das kranken Sparten auf den Weg der Genesung gebracht werden können.

Pflichtversicherung kein Thema mehr

Die im Zusammenhang mit den Folgen von Überschwemmungen oft zu hörende Forderung nach einer Pflichtversicherung scheinen angesichts nicht gewollter Nebeneffekte wie der Fortsetzung einer falschen Besiedelungspolitik an Fluss- und Bachläufen sowie nachlassender Vorsorge gegen die Folgen der Klimaveränderung vom Tisch zu sein.

Die angestoßenen Veränderungen bei den Gebäudeversicherungen bringen für Kunden und Vermittler Risiken und Chancen. Der bisherige ruinöse Preiskampf der Anbieter wird für einige Kunden mit hoher Schadenhäufigkeit auch zu Kündigungen führen. Ob mit „Vorschäden“ dann noch bei einem anderen Anbieter Versicherungsschutz möglich wird, ist fraglich. Deshalb gewinnt für Hauseigentümer die Risikovermeidung eine gewichtigere Bedeutung.

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Aktive Schadenvermeidung wird drängendes Thema

Regelmäßige Kontrollen der Leitung von Wasser, Abwasser und Elektro sind aktive Schadenvermeidung. Für neue „Häuslebauer“ können Präventivmaßnahmen gegen Sturm und Hagel für Jahrzehnte positive Effekte haben. Gegen Hagelschäden resistente Dachziegel oder bei Schäden leicht zugängliche Leitungswasserstränge sind Beispiele dafür.

Neue bedarfsgerechte und innovativere Versicherungssngebote gehören zu den Chancen neuer Hauspolicen. Eine Tarifierung, die erkennbare Schadentrends berücksichtigt und Schadenvermeidung honoriert ist nachhaltiger, als herkömmliche Altpolicen.

Schadenfreiheit kann die Beiträge ebenso senken wie Angebote mit Bündelbonus bei Abschluss mehrerer notwendiger Versicherungen beim gleichen Anbieter. Bündelprodukte haben außerdem den Vorteil, dass strittige Leistungsfragen zwischen Hausrat- und Gebäudeversicherung problemlos gelöst werden können.

Nicht zuletzt werden Anbieter mit modernen Tarifen und ohne „Altlasten“ im Bestand Vorteile im Wettbewerb bieten können. Deshalb ist Maklern immer mal wieder ein Blick auf neue Anbieter und Trends zu empfehlen.
Zusätzliche Erleichterungen für Vermittler können sogenannte „Quadratmeter-Modellen“ Modelle bringen. Diese reduzieren den Beratungsaufwand und die komplizierte Wertermittung über den angestaubten 1914er Wert mit tapetengrossen Fragebögen.

Alles ein Grund optimistisch zu sein. Der Patient „Gebäudeversicherung“ kann gesund werden. Der Trend stimmt. Oder wie sehen Sie das?


Dr. Peter Schmidt Peter_Schmidt_Portrait Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als „assekuranzdoc“. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.

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