Sprechstunde beim @AssekuranzDoc: Sieg und die verlorene Unschuld

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Die Guten haben unsere Sympathie. Das ist im Film oder auch von Kindesbeinen an im Märchen so. Was aber, wenn die Guten die Unschuld verlieren? Trotz jüngster Erfolge sind einige Verbraucherschützer dabei, vom Schützer zum Verwirrer zu werden.

Schätzungsweise 1,5 Millionen Riestersparer beim Marktführer werden sich über das jüngste Urteil freuen. Wenn das Urteil rechtskräftig ist, habe diese Kleinsparer mehr bzw. überhaupt Anteile an den Kostenüberschüssen zu erwarten. Sprich – bei Ablauf der Versicherung gibt es voraussichtlich mehr Geld. Und erstritten haben es Verbaucherschützer aus Hamburg. Doch sind diese nun per se „die Guten“?

Irreführende Tipps auf Steuerkosten

Nein, denn neben spektakulären Urteilen für die Kunden gibt es inzwischen immer mehr Fehler, mit denen Verbraucherschützer auf die Nase gefallen sind. Es häufen sich Empfehlungen von Verbraucherzentralen und kostenpflichtige Testergebnisse der Stiftung Warentest, die massive Kritik, Widerspruch bei Medien, im Internet oder sogar gerichtliche Folgen mit sich gebracht haben. Und wenn die Schützer der Verbraucher inzwischen sogar die Aufmerksamkeit der Satiriker erreicht hat, dann will das schon etwas heißen.

„Der Postillion“ schilderte kürzlich mit spitzer Satire den verlorenen Prozess von Stiftung Warentest gegen „Ritter Sport“ als „vorschnelles und ungerechtes Urteil gegenüber einer neutralen Stiftung.“ Und bringt die Pointe damit auf die Spitze: „Außerdem wollen die Waren- und Dienstleistungstester eine „grundlose Bevorzugung von Schokoladenproduzenten“ festgestellt haben“.

Bemerkenswert an diesem Fall ist aber, dass mal wieder ein Hersteller eines handhabbaren Produktes nicht widerspruchslos den Kopf eingezogen hat. Von den Herstellern von Versicherungs – und Finanzprodukten kennt man das kaum. Letztere kneifen häufig und verfallen in die Vogel-Strauss-Politik, wenn nachweisbar falsche Aussagen und merkwürdige Testergebnisse veröffentlicht werden.

Die Stimme der Versicherer wird lauter

Es muss ja schon als Fortschritt angesehen werden, wenn der Verband der Versicherer (GDV) zumindest per Presseerklärungen noch am gleichen Tag gegen die personifizierten Schutzheilige von der Waterkante und deren Verbrauchertipps zu Felde zieht. Unvergessen sind deren Tipps von 2011 zu sicheren Geldanlagen in Form von Briefmarken, Gold oder der damals schon ins Wanken geratenen isländischen Kaupthing-Bank.

Wieder einmal hatte sich Edda Castello beim Thema Geldanlagen verheddert und „attraktive“ Tagesgelder gegen Lebensversicherungen ins Feld geführt. In der Kolumne vom 15.01.2014 sind wir schon auf die Attraktivität dieser Produktempfehlung eingegangen.

Castello gipfelte im ZDF-Morgenmagazin mit der Aussage, „auf eine Versorgungslücke soll man nicht so gucken“, Tagesgelder seien die beste Geldanlage. Noch am gleichen Tag folgte die berechtigte Kritik des GDV:

„Diese Aussage lädt zu einer Sorglosigkeit ein, die Verbrauchern auf lange Sicht schaden kann. Richtig ist, dass die Menschen fürs Alter nur einen Beitrag sparen sollten, den sie mit ihrem monatlichen Einkommen gut tragen können. Doch als verantwortungsbewusste Verbraucherschützerin kann die Empfehlung zur Altersvorsorge nicht nur lauten, dass das Konto auf Guthabenbasis zu führen ist.

Eine umsichtige Vorsorgeanalyse besteht aus beidem: die aktuellen Einnahmen- und Ausgaben aufzulisten, in die Zukunft zu schauen und die Versorgungslücke zu ermitteln. Dabei sollten nicht nur die finanziellen, sondern auch die familiären und beruflichen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.“

Klare Worte. Dennoch fragt man sich angesichts zumindest zweifelhafter Aussagen oder Testergebnisse zu Pflege-Bahr-Produkten oder zu Berufsunfähigkeitsversicherungen, warum die Gegenwehr der Versicherer häufig so zahm bleibt. Die pauschale Ablehnungen von vielen Vorsorgeprodukten durch Verbraucherschützer verwirrt Kunden und Medienvertreter immer mehr.

Wenn das in nicht wenigen Fällen dazu führt, dass Kunden sinnvollen Schutz irritiert auflösen, dann sollte man engagierter gegen die mit Steuergeldern geförderten Verwirrung von Kunden durch Verbraucherzentralen vorgehen. Die Klage der Debeka 2009 gegen die VZ Hamburg zu deren Aussagen zu Lebens- und Kapitalversicherungen zeigte zumindest Courage, blieb aber eher die Ausnahme.

Wie die Verbraucherzentrale Hamburg sich 2009 in einem aus Kundensicht klaren Fall von Fehlberatung verhielt, zeigte die Empfehlung der Kapitalprodukte der isländischen Kaupthing-Bank an den Kaufmann Nils Petersen. Castello bewertete das gegenüber dem Hamburger Abendblatt dann so: „Ja, wir haben die Bank Anlegern empfohlen“. Aber, „wir sehen darin auch keinen Beratungsfehler. Denn auch die Verbraucherschützer hätten ja zu dem Zeitpunkt nicht wissen können, dass alle drei Banken der kleinen Inselrepublik zusammenbrechen würden. Wichtige Kriterien für die Organisation seien die Sicherheit, Flexibilität und eine gute Rendite. Die Zinsen lagen damals, wie sich Petersen erinnert, bei 5,69 Prozent für Tagesgeld.“

Regulativ zum freien Markt ist dennoch notwendig

Wenn in dieser Kolumne vor allem zweifelhafte Empfehlungen von Verbraucherschützern kritisiert wurden, dann sei nochmals betont, dass die Qualität mancher Versicherungs- und Finanzprodukte mindestens ebensolche Kritik verdient, wie jüngste Urteile vor allem gegen Lebensversicherer zeigen.

Ebenso zeigen erstrittene Urteile der Stiftung WARENtest oder FINANZtest gegen zu hohe Kreditbearbeitungsgebühren bei Banken, eingeschränkte Anwaltswahl bei Rechtsschutzversicherungen, Abofallen oder ungesetzliche Preiserhöhungsklauseln bei Strom und Gas, dass es richtig ist, dass mit den Verbraucherschutzorganisationen ein Regulativ zur freien Wirtschaft besteht. Und wenn jetzt die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) eine Einstweilige Verfügung gegen die Prokon Regenerative Energien GmbH erwirkt hat, dann ist dies durchaus begrüßenswerter aktiver Verbraucherschutz.

Wenn aber mit Steuergeldern der Verbraucherschutz gefördert ist, dann bitte auch immer mit Kompetenz, Objektivität und Haftung (!) für deren Aussagen und Bewertungen, wenn diese nicht vor Gericht stattfinden.
Es ist deshalb zu unterstützen, wenn viele Vermittler von Versicherungen und Finanzprodukten fordern, dass die Mitarbeiter im Verbraucherschutz ebensolchen Kriterien zur Registrierung unterliegen wie die Vermittler
nach §34d oder §34f selbst.

Und das schließt auch eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung dieser Organisationen mit ein. Spannend, wenn es einen erstes Urteil wegen Falschberatung gegen eine Verbaucherzentrale gäbe. Wer trägt dann den verursachten Vermögensschaden?

Und wie sind Ihre Erfahrungen mit Empfehlungen von Verbaucher-schützern bei Ihren Kunden. Spielt das bei Ihren Beratungen eine Rolle? Wir sind gespannt…


Dr. Peter Schmidt

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Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als „assekuranzdoc“. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.

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