Sprechstunde beim @AssekuranzDoc: 2014 – vor, zurück, zur Seite, ran?

AssekuranzdocRezept2014

Ach ja, das Kinderlied vom alten Mann mit dem Stock. Und dann vor, zurück, zur Seite – ran. Wird es ein Sinnbild für das Jahr 2014? Vieles spricht dafür. Auf dem Bau und bei den Maschinenbauern geht’s voran. Und in der Finanzdienstleistungsbranche seitwärts oder zurück?

Freudige Erwartungen und dunkle Wolken

Das Deutsche Institut für Wirtschaft (IW) geht mit seiner jüngsten Branchenumfrage von einer stärkeren Konjunktur aus. Dreiviertel aller Verbände melden höhere Umsatzerwartungen und auch zusätzlichen Personalbedarf. 10 Verbände, darunter Banken und die Versicherungswirtschaft, melden dagegen ein Fortschreiten des Personalabbaus.

Reduzierung der Mitarbeiter und Standorte, kostenseitiges Zurechtstutzen von Vertriebswegen und das Drehen am Personalkarussell griffen bereits 2013 in die wesentlichen Bestandteile des Versicherungswesens, in Vertrauen und Nachhaltigkeit, ein. Und das soll so weitergehen? Gerade bei hochwertiger Beratung für lebensbegleitende Vorsorgeprodukte ist die Reduzierung von Beratungsservices kritisch zu sehen.

Hinzu kommt: Das Kundenverhalten wird sich weiter massiv verändern und die Branche muss sich darauf einstellen. Erste Zahlen aus statistischen Auswertungen aus den USA zeigen hier die Trends auf. So haben 188,5 Million US-Amerikaner allein im August 2013 genau 46,7 Milliarden Online-Videos gesehen, wie das Marktforschungsinstitut ComScore (2) vermeldete. Sind dafür die deutschen Versicherer schon gerüstet?

IT wird auch 2014 ein starker Treiber sein

Manches wurde schon getan. Viele Prozesse bei Versicherungsunternehmen und deren Vermittlern wurden digitalisiert und mit modernen Kommunikationsformen verbunden, wenn man nur an die auch in dieser Kolumne schon behandelten Formen der Social-Media-Auftritte oder der App-Offensive vieler Versicherer im Vorjahr denkt. Dazu kommen starke Investitionen in die Versicherungstechnik, die in den vergangenen Jahren getätigt wurden, ohne dass dies in der Öffentlichkeit groß wahrgenommen wurde.

Störungen in den Technikabläufen werden immer nur dann registriert, wenn die Technik holpert und nicht störungsfrei läuft. Davon können große Versicherer, die immer noch am Thema der Integration früher selbständiger Tochterunternehmen arbeiten, ein Lied singen.

Die IT- Offensive wird weitergehen, wobei nicht wie bisher das Thema „Kostensenkung“ der Treiber sein wird. Größerer Herausforderungen stellt die notwendige Verbreiterung des Produktangebotes sowie die zahlreichen administrativen Anforderungen von Solvency II dar.

Bleiben wir bei der notwendigen breiteren Produktpalette:

Die immer stärkere Individualisierung in unserer Gesellschaft, veränderte Rahmenbedingungen aus Ökonomie, Technik und Klimawandel sowie die sich immer stärker differenzierenden Erwerbsbiographien der Kunden fordern Produkte und Services von den Versicherern und Finanzdienstleistern, die den individuellen Erwartungen der Kunden entsprechen. Allein mit Standardprodukten sind diese Erwartungen nicht zu erfüllen.

Ein Schritt nach vorn ist notwendig, der aber dem Bestreben nach Reduzierung der Tarifvielfalt aus Kostengründen widerspricht.

Ein Beispiel: Für einen Versicherer ist kostenseitig der Pauschalschutz für die Versicherung eines Einfamilien- oder Reihenhauses am vorteilhaftesten. Vor Jahren war so ein standardisierter Schutz noch möglich. Inzwischen muss sowohl den erweiterten Sturm- und ZÜRS-Zonen Rechnung getragen werden. Dazu kommen zig verschiedene Kundenbedürfnisse nach individuellem Risikoschutz allein schon aus diversen Formen der Energieerzeugung. Leicht lassen sich ein Dutzend verschiedene Sonderformen dieses Versicherungsrisikos aufzeigen. Exemplarisch seien nur Solarenergie, Geothermie, Wasser- und Windkraft, Biowärmeerzeugung, geschlossene Energiekreisläufe in einzelnen Häusern oder in Gemeinden aufgeführt.

Pauschalkonzepte helfen da nicht weiter. Bausteinprodukte oder Komplexlösungen werden gebraucht, um bestimmte Bedarfsfelder werden die Lösungen sein. Also wieder ein Schritt zurück.

Welchen Einfluss wird die Politik haben?

Die gegensätzlichen Positionen der Regierungsparteien in vielen Fragen werden das „vor, zurück, zur Seite – ran“ auch die Versicherungswirtschaft spüren lassen. Mehr Regulierung oder weniger? Wird die Rolle der Verbraucherschützer trotz zahlreicher belegbarer „Irrtümer“ aus der Vorsaison gestärkt?

Die ersten Entscheidungen der GroKo lassen da viel Nachteiliges aus dem zitierten Kinderlied befürchten. Der Rentenbeitrag für Arbeitnehmer wird trotz voller Kassen nicht gesenkt. Das ist kein Schritt nach vorn. Die jüngeren Generationen wird damit zusätzlicher Möglichkeiten zur Privatvorsorge beraubt.

Man kann ja gerne der Idee der „Mütterrente“ folgen. Aber wenn man dies gesamtgesellschaftlich abgeleitet aus dem Wahlverhalten der Deutschen umsetzen will, dann sollte man dies dann auch mit Steuergeldern aller Zahler tun und nicht nur die Rentenbeiträge eines Teils der Bevölkerung umlenken.

Oder nehmen wir das „Schnellzugverfahren“ zum Preisstopp für Arzneimittel. Das bringt 500 Millionen Entlastung für die Krankenkassen.
Das kann man gut finden. Die Kehrseite ist aber eine halbe Milliarde die am Umsatz der Pharmaindustrie fehlt – und damit auch für neue Investitionen in die Erforschung von Arzneimitteln gegen „Volkskrankheiten“ wie Krebs. Kann die eine Fraktion nicht nach vorn und will auch nicht zurück, dann bleibt wohl nur ein Schritt zu Seite. Geholfen ist damit meist keinem.

Subventionierter Verbraucherschutz oder Verbraucherverwirrung?

Für die Finanz- und Versicherungsbranche gilt es abzuwarten, ob der Neuzuschnitt des Ministeriums für Justiz und Verbraucherschutz mehr Solidität in die „Testergebnisse“ der mit noch mehr Steuergeldern aus-gestatteten Stiftung Warentest bringen wird.

Mancher Fehlschuss aus dem Jahr 2013 so zum Thema Berufsunfähigkeit ist nicht vergessen. Und da es auf die berechtigten Kritik zu Testurteilen oder TV-Auftritten von Verbraucherschützern auch keine veröffentliche Selbstkritik oder gar Schlussfolgerungen für eine Verbesserung der Kompetenz gab, ist zu befürchten, dass es bei subventionierter Verbraucherverwirrung bleiben könnte.

Aber es kann ja auch einen Schritt nach vorn gehen und der Geist der bisherigen Justizministerin als Bewahrerin von Grund- und Bürgerrechten wirkt in dem Ministerium noch nach. Deshalb bin ich auch sehr gespannt, was wir vom neuen Sachverständigenrat und seinen jährliche Verbraucherbefragung zu erwarten haben. Das Ziel, Missständen für Bürger und Kunden stärker entgegenwirken, klingt erstmal gut.

Ob es mehr vor als zurück gehen wird werden wir sehen. Ich freue mich schon drauf, die ersten Schritte der GroKo und deren Auswirkungen 2014 an dieser Stelle mit persönlichen Kommentaren versehen zu können.

Wie sind Ihre Erwartungen an das Jahr 2014?


Dr. Peter Schmidt

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Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als „assekuranzdoc“. Besuchen Sie auch seine Webseite und werden Sie Fan von Dr. Schmidt auf Facebook.

 

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