Kampagnen gegen die Branche: Wem nützt die Skandalisierungswelle?

AssekuranzdocRezeptBerichtKennen Sie das? Sie lesen einen Zeitungsartikel und bekommen plötzlich Herzklopfen. Adrenalin beginnt durch die Blutbahn zu kreisen. Nein, es geht nicht um die Ergebnisse der Bundestagswahl und politische Anfeindungen. Anlass war für mich vor kurzem ein Artikel in der zum Thema Berufsunfähigkeit (BU).

So leisten Versicherungen bei Berufsunfähigkeit

Nein, diese Zwischenüberschrift werden Sie in der WirtschaftsWoche vergebens suchen. Das wäre ja eine sachliche Information für Leser, aber so einen Artikel kauft wohl niemand. Es musste schon (wieder einmal) in eine tiefere Schublade mit der Beschriftung „Skandale“ gegriffen werden.

Dementsprechend titelte die Autorin „Wie Versicherungen Berufsunfähigen ihr Geld verweigern“ . Um gleich richtig Stimmung aufkommen zu lassen, ist von „systematischer Verzögerung“, „übermächtigen“  Versicherern und „Papierkrieg“ die Rede. Zu diesen Verbalangriffen passt dann aber nicht, dass man dann doch noch ganze Tariftabellen zu „günstigen BU-Tarifen“ ablichtet.

Was denn nun?

Rausgeschmissenes Geld für eine BU-Versicherung oder besteht doch Versicherungsbedarf?

Auf einem Auge blind?

Wenn man wie ich früher für verschiedene Personenversicherer tätig war, kommt man leicht in Verdacht, Leistungsregulierungen von Versicherungen schön zu reden oder Einzelfälle, in denen es Probleme gab, zu negieren. Für mich akzeptiere ich aber so einen Vorwurf deshalb nicht, weil ich die Ursachen solcher Einzelfälle meist sehr gut kenne und auch um die Relationen von problematischen und problemlosen Regulierungen weiß.

Leider wird die erste Seite gerne von Journalisten überhöht und teilweise auch falsch dargestellt. Die zweite Seite, der übergroßen Mehrzahl der problemlosen Leistungserstattungen, scheinen manche Journalisten nicht zu sehen.

Ja, jeder Einzelfall, der nicht zur vertraggerechten Regulierung kommt ist zu viel und für den Betroffenen eine große Belastung zu den ohnehin schon bestehenden gesundheitlichen Problemen. Aber das Typische an dieser wichtigen Versicherung der Arbeitskraft ist es eben nicht, und das kann einen schon manchmal ganz schön aufregen.

Statistiken gehen aktuell von 200.000 bis 300.000 Fällen von Berufsunfähigkeit in Deutschland pro Jahr aus. Im Durchschnitt hat nur jeder vierte Deutsche eine private BU- Absicherung. Ein Anhaltspunkt für die geringe Höhe der „Problemfälle“ im Bereich BU sind die ausgewiesenen niedrigen Prozessquoten. Der Durchschnitt liegt bei etwa vier Prozent. Selbst in der Gruppe der Versicherer mit Prozessquoten von über fünf Prozent finden sich nur wenige BU-Versicherer.

Selbst die in letzter Zeit wegen ihrer BU-Bewertungen stark kritisierte Zeitschrift „Finanztest“ stellte 2011 fest: „In unserer Umfrage waren viele Teilnehmer im Ernstfall mit ihrem Versicherer zufrieden.“

Im Falle der Berufsunfähigkeit sind Regeln zu beachten

Wenn der privat BU-abgesicherte Kunde berufsunfähig wird, gilt es eine Reihe von Regelungen zu beachten, die von Beginn des Vertrages an Bestandteil der Versicherungsbedingungen sind. Dazu gehören die Vorlagepflicht von aussagekräftigen Arztberichten, Beschreibungen zur beruflichen Tätigkeit und Funktion des Versicherten und der Nachweis der Ursachen für die Berufsunfähigkeit, um nur einige zu nennen.

In der Regel bekommt der Kunden dann zwei bis vier Wochen nach Antragstellung einen ersten Bescheid. Zu beachten ist aber auch, dass erst geleistet wird, wenn klar ist, dass der aktuelle Beruf zu mindestens zu 50 Prozent für sechs Monate und länger nicht mehr ausgeübt werden kann. Denn dann erst liegt „Berufsunfähigkeit“ vor.

Diese Regeln scheinen aber für die betreffende Journalistin so überraschend zu sein, so dass sie diese Forderungen gewissermaßen als Schikanen oder überbordende Bürokratie ansieht.

Wenn man nun berücksichtigt, dass es in dem oben genannten Artikel um eine monatliche BU- Rente von über 4.000 Euro aus vier (!) BU- Verträgen bzw. eine Gesamterstattung von über einer dreiviertel Million Euro gegangen sein soll, dann könnte man meines Erachtens auch Verständnis dafür aufbringen, dass die einzelnen Positionen genauer geprüft werden, um Schaden von der Versichertengemeinschaft abzuwenden. Denn es gibt nicht wenige Fälle von versuchtem Versicherungsbetrug mit BU-Versicherungen, die vor Gericht landeten.

Information statt Verunsicherung – ein frommer Wunsch?

Ist es zu langweilig dem Leser einmal aufzuzeigen was er tun muss, wenn er berufsunfähig wird und die Leistungen aus seiner Versicherung abgerufen werden sollen? Ist es zu fade, Fälle von Versicherungsbetrug gerade im Bereich der Erschleichung von Leistungen bei Berufsunfähigkeit als eine der Ursachen dafür zu dokumentieren, wie schwer es Versicherungen haben, wenn sie nachweisen müssen, dass Verletzungen, die zur Berufsunfähigkeit geführt haben, nur vorgetäuscht waren.

Im Fall des von der Wirtschaftwoche beschrieben Fall wird es geradezu komödiantisch wenn man eingangs des Artikel von „Verweigerung“ von Leistungen spricht und ganz hinten im letzten Absatz dann zugeben muss:

„Über den Antrag will der Versicherer schon am 26. Juli positiv entschieden haben, bevor der Fragenkatalog der WirtschaftsWoche bei ihr eingegangen war.“

Aha! Alles nur Schall und Rauch, aber für die Skandalberichterstattung hat es gelangt.

Die Chance, es anders zu machen hätte es im vorliegenden Fall gegeben. Der im angeführten Artikel gescholtenen Versicherer bietet zum Beispiel eine geradezu beispielhafte Verbindung der Absicherung bei längerer Erkrankung mit Krankentagegeld und einem nahtlosen Übergang zur Berufsunfähigkeitsrente an, die deutlich über Marktdurchschnitt liegt und gerade unangenehme „Wartezeiten“ verhindern hilft. Aber das ist wohl der Verfasserin entgangen. „Professionelle Fremdbeobachtung“, wie Wikipedia „Journalismus“ definiert, sieht für mich anders aus.

Fazit

Wenn berechtigte Ansprüche durch die Versicherer nicht reguliert werden, dann ist das kritikwürdig.

Journalisten wie Verbaucherschützern ist aber auch das zweite offene Auge zu wünschen, um die große Masse der problemlos regulierten Fälle und die notwendigen Prüfungen zur Vermeidung von Betrug zu sehen – und dann auch in den entsprechenden Relationen zu schildern.

Die Beiträge der Versicherungswirtschaft zum großen Ganzen in unserem Land wie auch zum Risikoschutz beim einzelnen Kunden zu ignorieren, zeugt nicht von Qualität.  Nicht mehr zu ertragende Skandalberichterstattungen sind leider ein Trend. „Zwischen 2009 und 2013 (stieg) …der Anteil der Negativberichterstattung von 22 auf 32 Prozent … und die neutrale Berichterstattung (ist) …von 63 auf 47 Prozent zurückgegangen“, berichtete der GDV-Hauptgeschäftsführer Dr. Jörg von Fürstenwerth kürzlich.

Möge der eine oder andere Medienvertreter der hier geschilderten Coleur die Worte des Bundespräsidenten Gauck, zur BDZV-Tagung in Dresden, überdenken: „Die Zeitung hat eine Zukunft… Ich meine den Qualitätsjournalismus.“

Oder wie sehen Sie das?

Ich freue mich auf Ihre Ansichten in den Kommentaren hier unten auf der Seite.

Ihr Peter Schmidt

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Dr. Peter Schmidt

Peter_Schmidt_PortraitUnternehmensberater im Bereich Versicherungen mit langjähriger Erfahrung als  Führungskraft und Vorstand im Bereich Personenversicherung / Maklervertrieb bei deutschen Versicherern. Er twittert als „assekuranzdoc“.

 

 

In Kooperation mit der <br>INTER Versicherungsgruppe