Provisionsdeckelung: Bittere Medizin, falsch verordnet

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Kosten steigen. Renditen sinken. Das Vertrauen der Kunden erschüttert. Ein angeblich gesättigter Markt bei ebenso angeblich steigender Stornoquote. Und jetzt verunsichert der GDV durch die Provisions-Diskussion Vermittler und Makler. Ich meine: Dies ist zur Unzeit die falsche Medizin für die Branche.

Man muss sich schon fragen, warum die Versicherungswirtschaft immer erst auf den Gesetzgeber wartet, um eines ihrer  Hauptprobleme zu lösen. Denn statt 2012 die neue gesetzliche Regelung zur Provisionsbegrenzung in Kranken als Startschuss zu nutzen für eine Offensive zu einer generell qualitätsorientierten Vergütung bei Personenversicherungen, zogen Versicherer und Vermittler der Kopf ein und warteten ab.

Man glaubte sich auf dem Kölner Karnevalsumzug mit §3 des Kölschen Grundgesetzes:

Et hät noch immer jot jejange

Versicherer scheuten bisher einen Systemwechsel in der Vergütung der Vermittlungsleistungen, weil der erste in der Branche der umstellen würde kurzfristig in den Vertriebsleistungen Nachteile befürchten muss. Ein Makler schrieb dazu drastisch in den sozialen Medien: „Der Erste (Versicherer), der sich bewegt, schießt sich selbst ins Knie.“

Modelle sind seit Jahren bekannt

Dabei sind Modelle einer solchen Veränderung des Vergütungssystem in der Branche seit Jahren bekannt. Immer mal wieder haben sich Projektgruppen bei den Versicherern und Verbraucherschutzverbänden mit dem Thema beschäftigen. Im Kern ging es immer darum die Abschlussprovision (-Kosten) zu senken und die Bestandsprovision zu erhöhen.

Dieses Modell würde eine aufwandgemäße und auskömmliche Vergütung der Anfangsberatung UND das Kümmern des Vermittlers um die Kunden und deren Verträge über eine lange Zeit, manchmal ein Leben lang, gut berücksichtigen.

Gerade Letzteres ist wichtig, weil Kundenverträge sich organisch weiterentwickeln.

Aber:

Die jetzt bekannt gewordenen zwei Modelle, die im GDV diskutiert werden, folgen aber genau diesen Nachhaltigkeitszielen kaum. Es wird weder der Analyse- und Beratungsaufwand noch die Betreuung der häufig lebenslangen Verträge adäquat abgebildet.

Das Ziel wird verfehlt. Die Symptome sind erkannt, aber der Arzt tendiert dazu, die falsche Medizin zu verabreichen.

 

Ratierliche Auszahlung als Alternative

Zahlreiche Vermittler fürchten die Umstellung des Vergütungssystems, weil man über eine längere Zeit ohne oder mit geringeren Abschlussprovisionen (AP) auskommen müsste.

Es gibt aber auch eine große Zahl von Maklern, meist die wirtschaftlich stärkeren, die nicht auf AP fixiert sind und sich die Courtagen ratierlich auszahlen lassen. Die Erfahrungen des Maklerpools BCA mit ratierlichen Courtageauszahlungen belegen die Attraktivität dieses Vergütungsmodells.

Dr. Jutta Krienke, Vorstand des Maklerpools BCA, betonte mir gegenüber, dass rund Dreiviertel der BCA-Partner, die mit § 34d der GewO registriert sind, ihre Courtagen nicht vordiskontiert, sondern ratierlich auszahlen lassen. Damit werden deren Einkünfte verstetigt und sind nicht direkt von Abschlussprovisionen abhängig.

Krienke stellt zu den GDV-Vorschlägen couragiert fest: „Es geht nicht, dass diese angedachten Regelungen auf dem Rücken der freien Vermittler ausgetragen werden.“

 

Sind die GDV-Vorschläge ein Angriff auf freie Vermittler?

Man fragt sich natürlich, ob die GDV-Vorschläge den freien Vermittlern die Basis für einen wirtschaftlichen Betrieb ihrer Beratung entziehen sollen. Auf den Gedanken kann man kommen, da eine ganze Reihe von Versicherern mit den GDV-Vorschlägen zur Senkung der Provisionen auf 2,4 % in ihrer Stammorga keine Probleme hätte.

Den Gedanken kann man aber meines Erachtens ad acta legen, wenn man an die großen Anteile von freien Vermittlern am Lebensversicherungsgeschäft – zum Beispiel bei bAV oder anderen, modernen Produkt- und Garantievarianten – denkt. Diese vom Kunden gewünschte Auswahl zwischen gebundenen und freien Vermittlern sollte auch erhalten werden.

 

Die Versicherer wurden überrollt

Auch BCA-Vorstand Krienke sieht mit den vorliegenden GDV-Vorschlägen keinen expliziten „Angriff auf die freie Vermittlerschaft“. Sie sieht eher einen Zusammenhang zur Bündelung von Herausforderungen, denen die  Versicherer aus den Folgen der Kapitalmarktkrise, der anhaltenden Niedrigzinsphase, regulatorischen Eingriffen und dem „drohenden Schwert“ von Solvency II, gegenüberstehen. Sie sieht die Versicherer von diesen Herausforderungen als regelrecht überrollt an und mahnt zugleich an, dass bei der Bewältigung der Herausforderungen die freie Maklerschaft nicht zusätzlich belastet werden dürfe.

 

Nachhaltige und lebenslange Beratung brauchen andere Vergütungen

Wenn man einmal die Wettbewerbssituation der Versicherer außen vor lässt, würden Versicherer und Vermittler aus meiner Sicht langfristig Vorteile aus einem neuen qualitätsorientierten Vergütungssystem ziehen. So könnten die Maßstäbe, die sich einige Vertriebe und Pools mit der Übernahme der  „Deutschen Finanznorm“ DEFINO gesetzt haben, einen neuen Qualitätsanspruch setzen, der dann entsprechend vergütet werden sollte.

DEFINO fordert vom Vermittler u.a., sich mindestens ein Mal im Jahr um jeden Kunden zu kümmern. Aber davon sind Großbestandsverwalter in der Ausschließlichkeit ebenso weit entfernt wie große freie Maklerhäuser.

 

Großvertriebe werden ins Mark getroffen

Die Umsetzung der jetzt gemachten GDV-Vorschläge würde manche  Großvertriebe bis ins Mark treffen, da einige Vergütungen von 6 Prozent als normal und bis zu 7 Prozent als notwendig ansehen, um ihre Service- und Vertriebsorganisation kostenseitig abdecken zu können. Die Betrachtung der vorgelegten Geschäftszahlen 2012 aus der Differenz von Umsatz, weitergegebenen Provisionen und Gewinn spricht da Bände.

Oder sollte man die Vermutung anstellen, dass einige Versicherer genau dieses Geschäftsmodell, das über Jahre den Umsatz verteuert haben soll, im Visier haben?

Geht es darum, sich von alten Zöpfen zu trennen und den Vertrieb billiger zu machen?

Makler sind gesprächsbereit

Die Reaktionen der Interessenvertreter der Makler sind eindeutig. Diese lehnen die Deckelung der Provisionen ab, zeigen sich aber gesprächsbereit.

Der AfW sieht frei ausgehandelte Provisionen/Courtagen als Bestandteil der freien Marktwirtschaft. „Wer zu recht Qualität in der Beratung fordert und auch Anforderungen an regelmäßige Weiterbildung aufstellt, muss sie auch durch eine angemessene Vergütung ermöglichen“, so AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. BVK und andere reagieren ähnlich.

 

Mein Fazit

Es kommt Bewegung ins System. Vordergründig ist es vor allem die anhaltende Niedrigzinsphase, die zu den Überlegungen für eine Reduzierung der Vermittlervergütungen geführt hat.

Tatsächlich ist das Wasser zum Thema Provisionshöhen bei Lebensversicherungen schon länger am Kochen.

Eine Vergütung, die finanzielle Anreize statt auf Abschlüsse auf eine langjährig bessere Kunden- und Vertragsbetreuung setzt, ist überfällig.

Viele Makler oder gebundene Vermittler haben eine ausgezeichnete Einstellung zum Service für ihre Kunden, zu qualitativ sauberem Geschäft und nachhaltiger Entwicklung ihrer Kundenbestände.

Und jeder Schritt, diese Beratungsqualität besser und langfristiger zu vergüten wäre richtig, wenn er über eine reine Kürzung der Courtagen hinausgeht.

Hier muss sich der GDV noch deutlich mehr Gedanken machen – und vor allem in eine konstruktive Diskussion mit Makler und Vermittlern eintreten.

 

Oder wie sehen Sie das?

Ihr Peter Schmidt

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Dr. Peter Schmidt

Peter_Schmidt_PortraitUnternehmensberater im Bereich Versicherungen mit langjähriger Erfahrung als  Führungskraft und Vorstand im Bereich Personenversicherung / Maklervertrieb bei deutschen Versicherern. Er twittert als „assekuranzdoc“.

 

 

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